Der ersten Nacht in Kolumbien, in der hoch gelegenen Hauptstadt Bogotá blicke ich mit gemischten Gefühlen nach. Das Hostel ist wirklich sehr hellhörig, jede Diele knarzt, da halfen auch die Oropax nur bedingt. Das Doppelbett dagegen ist riesig und wirklich bequem. Mal war mir bitterkalt und ich rückte näher an meinen Mitmenschen heran, dann war es warm, weil die Fenster nicht direkt raus gehen sondern in den Gang, der weiter hinten seine Frischluftzufuhr erhält. Wir erwachten auch beide mit Kopfweh, was bei der Höhe von 2.650m jetzt nicht die Überraschung des Tages war. Und obwohl es in der Heimat bereits Nachmittag war, hatte sich unser Körper ganz gut eingefügt, sodass wir hier ganz gut (und lange nach der Reise) geschlafen hatten. Wir blieben noch ein wenig liegen und staunten über morgendliche 13 Grad (heutige Höchsttemperatur wurden 16 Grad). Wir gingen nach unten in den grünen Innenhof und bestellten ein Frühstück, weil wir noch nichts eingekauft hatten und es zu Reisebeginn auch einfach schön ist sich ein wenig zu verwöhnen. Zu zweit bezahlten wir 11€. Wir sahen auch drei Reisende wieder, die mit uns im selben Flugzeug gesessen hatten; sinnloserweise hatte man uns natürlich nicht zusammen ein Taxi empfohlen gehabt…
Dann sortierten wir unsere Sachen, versteckten Bargeld an verschiedenen Stellen und trugen uns an der Rezeption für die dreistündige Graffiti Tour durch Bogotá ein.
Erwartete Spende ca. 10 USD; wir gaben 85.000 COP.
Bevor wir 13:30 Uhr am Hostel abgeholt wurden, gingen wir noch zu Fuß - ohne Rucksack - die Straßen durch das bunte Viertel La Candelaria entlang.
Wichtig: Sonnencreme auftragen. Nicht von der Kühle und den Wolken milde stimmen lassen, wir sind hier dem Äquator ziemlich nah und auf über 2.600m eben auch der UV-Strahlung stark ausgesetzt.
Dummheit ist leider ein weltverbreitetes Phänomen und so schauten wir kopfschüttelnd zu wie zwei dekorierte Lamas als Fotoaccessoire still stehen mussten - mit lächerlich behüteten Touristen auf ihrem Rücken.
Wir staunten über den Trubel in den Gassen und schauten kurz bei einer Art Skateboard-Wettbewerb mitten in der Stadt zu. Zufälligerweise wohlgemerkt, denn er fand genau vor unserem ersten Ziel, dem Museo del Or, dem Goldmuseum statt. Wir zahlten je 5.000COP Eintritt (1,15€).
Tipp: Sonntag geht es auch kostenfrei rein :)
Wir waren über die Moderne, die Beleuchtung, die zahlreichen kostbaren Stücke begeistert. Ich verliebte mich ein wenig in die z.T. grazilen Figuren und denke meiner Mama damit wieder Malinspiration fotografiert zu haben ;) Ein wenig erinnerten mich einige Stück auch an die Maori-Kultur.
Danach gingen wir in eine Straße mit Souvenir-Läden um schonmal zu schauen was es denn so für den üblichen Weihnachtsbaumanhänger geben könnte. Gekauft haben wir noch nichts, wir waren völlig erschlagen von den immer gleichen farbenfrohen Stücken. Wir hoben nochmal Geld ab, denn sehr oft, leider zu oft, hatte man beim Bezahlen mit Kreditkarte Gebühren dabei. Das würde sich in Summe ganz schön läppern. Witzigerweise stand ich dabei wie ein Bodyguard neben Eric, obwohl ich wohl kaum etwas ausrichten könnte, als pikiert zur Seite zu springen.
Leider war es doch nicht, wie vom Hostel angegeben, gebührenfrei, aber weniger als am Flughafen. Trotzdem sind wir immer hin und her gerissen. Zu viel Bargeld soll man ja nicht bei sich führen, aber jedes Mal neu abheben, bedeutete auch neue Gebühren. Noch waren wir zurückhaltend und vorsichtig, tasteten uns natürlich erst noch an das neue Land an.
Wir hatten noch Zeit die Pullis im Zimmer zu lassen und gegen Sonnenbrillen zu tauschen, dann gingen wir an die Rezeption, wo uns Gio (?), unser Guide, für die Graffiti-Tour in Empfang nahm. Die dritte auf der Liste kam nicht, also hatten wir eine private Tour. Alles war fußläufig in den Gassen oberhalb unseres Hostels und ich habe mich wirklich bemüht mir die faszinierendsten Inhalte zu merken, aber das war gar nicht so leicht. Wir unterhielten uns ja auch zwischendurch noch über Land und Leute. Er war 36, hatte uns natürlich viel jünger geschätzt, ist vor 5 Jahren nach Kolumbien gezogen. Er kommt aus Venezuela, hatte acht unschöne Monate in Peru (die wohl Flüchtlinge aus z.B. Venezuela nicht mit offenen Armen empfangen) und da er Venezueler in ganz Europa kennt und ein Jobangebot habe, möchte er bald nach Holland ziehen und übte ein wenig Deutsch mit uns.
Wir erfuhren, dass Graffiti lange Zeit illegal war und ein 17-jähriger, der beim Sprayen erwischt worden ist, auch von der Polizei erschossen wurde. Erst als Justin Bieber (im Ernst jetzt) auf seiner Tournee 2013 von den zahlreichen bunten Graffiti Wänden begeistert war und selbst sinnlose Sprüche sprayte - unter dem Schutz der Polizei - wurde es nach Protesten für alle legal. Möchte jemand die Kolonialhäuser hier in der Altstadt La Candelaria gestalten, muss er die Pläne fürs Motiv vorlegen und eine Genehmigung einholen.
Wir begannen an einem Graffiti mit Kolibris um ein indigenes Mädchen des wohl in Bogotá berühmtesten (und einheimischen) Künstlers. Er beschäftige sich intensiv mit den verschiedensten Stämmen und Glaubensrichtungen in Kolumbien, besuche die Stämme und mache mittlerweile (derzeit in Norwegen) weltweit auf die Vielfältigkeit Kolumbiens aufmerksam. Ums Eck herum, noch dazugehörig, stellte das Graffiti das Ritual des „Ayahuasca“ dar. Wie sich die Kraft (der Jaguar) entwickelt, man sanft wird und der Sonne zustrebt (der Drache). Von diesem Ritual hatten wir im Mai beim Travel Slam gehört und auch in einem Video gesehen, wie ein Mann nach Einnahme dieses Trankes Halluzinationen erlebte, zappelte, dann halb tot am Boden lag um nun, Jahre später noch, von seiner Drogensucht befreit war. Unser Guide erzählte uns von den verschiedenen Erfahrungen einiger seiner Freunde; auf Grund der Wirkstoffe führt man es nie in geschlossenen Räumen durch. Er selbst habe daran kein Interesse, weil man sich immer Fragen zum Leben stellen würde und nie weiß, wie der eigene Verstand reagieren würde. Später sahen wir noch einmal eines seiner Werke (Bild drei). Dieses Mädchen trägt eine Kette. Und jede Farbe steht für eine Sprache, die sie spricht - und das waren eine Menge! Der Künstler hat sie bei seinen Reisen kennengelernt. Danach gingen wir in eine Straße, die ans Viertel Egipto grenzte. Er mahnte uns bis hierher nicht allein zu gehen. Dies sei nach Santa Fé das zweitgefährlichste Viertel in Bogotá. Prostitution, Drogen, Waffen, Gangs, Armut…und alles unter Kontrolle verschiedener Drogenbarone. Er zeigte uns hier von einem weiteren einheimischen Künstler ein Bild, was ebenfalls die Reinkarnation zeigte bis zur Mutter Erde, die dabei half. Während der Corona-Zeiten wurden aber viele der offiziellen und genehmigten Graffiti verschandelt, sodass der Künstler es nun aufgegeben habe, es zu beenden. Wir gingen weiter und sahen eine Mauer von drei Künstlern. Sechs Augen seien besonders und die meisten glaubten auch ans dritte Auge (unsichtbar auf der Stirn, der Blick der Seele). Dann liefen wir zu einem weiteren indigenen Motiv, wobei die Frau hier von kreisförmigen Gebilden umgeben ist, die ebenfalls für die mächtige Sonne stehe (ich hoffe echt, ich gebe das alles so richtig wieder) und dieses Gebäude wurde vom damaligen Besitzer mit der teuren Schutzfarbe bestrichen, sodass diese Graffiti noch immer sechs Jahre später wie neu aussehen und nicht verschandelt werden können. Dazu gehörte noch ein weiteres faszinierendes Motiv: eine Frau und ihr Weg zu emotionalen Gleichgewicht. Die „emotionale Intelligenz“, die alle Gefühle in Einklang bringt, Herz und Verstand. Dann kann auch ein Samen (siehe Stirn) keimen. Und das nächste Motiv erinnerte an die während des spanischen Goldrausches eingeschifften Sklaven. Erst sie hatten Kaffee und Kakao mit nach Kolumbien gebracht.
Auf dem Plazoleta Chorro de Quevedo sahen wir das älteste Haus Kolumbiens. Mit 12 Häusern und dem Brunnen in der Mitte, um die Pferde anzubinden und zu tränken, war Bogotá gegründet worden.
Wir besuchten noch eine Art Kooperation des besagten ersten Künstlers, tranken dort unseren ersten Coca-Tee und fühlten uns natürlich genötigt auch etwas zu kaufen. Er bietet verschiedene Produkte der indigenen Stämme an. Sie wissen schon wie sie es machen :D Wir lernten noch folgendes:
„giving Papayas“ ist ein typischer kolumbianischer Ausdruck und meint, dass man sich nicht reich zeigen sollte und so zum Opfer mache, also keine teuren Kameras, Schmuck oder sonst was
Überall wurde hier „chiche“ verkauft, ein Getränk, was bei übermäßigem Konsum high machen konnte
Eine kolumbianische Suppe heißt Ajiaco und muss von uns noch probiert werden
Im Anschluss an die fast 3h übergaben wir das Trinkgeld (ich meine diese free walking tours sind ja quasi nicht „for free“) und erhielten noch Tipps und Ideen für unseren Reiseverlauf. Leider verwirrte das nur noch mehr und zeigte uns: fünf Wochen reichen niemals :D Da waren wir etwas übermotiviert gewesen und müssen streichen. Viele Touren sind mit Guides sowieso, auch in Kolumbien, eine Spur zu teuer.
Auf seinen Tipp hin gingen wir nochmal die Straße hinunter ins kostenfrei Museo Botero und fanden im vierten Raum die amüsante überdimensionierte Mona Lisa :D Ich wusste nicht mal, dass es so ein Pendant gibt :D In einem kleinen Supermarkt kauften wir dann noch Obst, Müsli und Schoki für die nächsten zwei Tage Porridge ein.
Denn ihr wisst ja noch: täglich grüßt die Haferflocke.
Kolumbien mag ja in Restaurants, Hostels, Bussen und Co. günstig sein, dennoch waren die Flüge an sich ja teurer gewesen als mit dem Auto durch Europa. Also wird das ingesamt kein Schnäppchen ;) Da machen wir auch mal Frühstück selbst.
So richtig wusste unser Körper noch nicht wohin mit sich, denn 18 Uhr hiesige Ortszeit waren wir hundemüde. Noch dazu klingelte mehrmals die Melodie unserer heimischen Waschmaschine durch den Flur und Musik schallte nach oben. Wir überlegten ob wir noch „ausgehen“ sollten, entschieden dann aber, dass es für den ersten Tag genug Eindrücke waren und bestellten im Hostel Nachos mit Guacamole und mini Empanadas. Ins Gespräch kamen wir nicht so richtig mit anderen Reisenden, denn sie schauten lautstark Fußball Chile gegen Peru. Deshalb spielten wir dann noch eine Runde Billard, bevor wir uns verkrümelten.
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