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einjahrblau

Tag 10 - kolumbianische Kaffeetour

Wir gingen 8:45 Uhr frühstücken, denn kurz nach halb zehn begannen wir den in der Morgensonne doch recht beschwerlich-steilen Aufstieg die Schotterstraße hinauf um fast pünktlich 10 Uhr doch noch eine Kaffeetour in der Finca Carrizales zu erleben. In Salento wäre es laut anderen nicht so authentisch gewesen, wir wollten aber die Kaffeeregion auch nicht ohne Tour ungesehen verlassen.

Die Niederländerin Suzan hatte dies bei ihren „Nachbarn“, also Bekannten der Region wieder last minute organisiert und um sowohl 20€ zu sparen als auch ein noch authentischeres Erlebnis zu genießen, fand die Tour auf Spanisch beim Besitzer Don Jaime höchstselbst statt. Transport mussten wir auch mal nicht zahlen. Eric verstand einzelne Wörter schon sehr gut, vor allem situationsbedingt, den Rest übersetzte ich nach bestem Wissen und Gewissen. Wir wurden erstmal mit einem typisch kleinen kolumbianischen Kaffee und selbst gebackenem Kuchen einer amerikanischen Bekannten empfangen und selbst ich kostete tapfer die bittere braune Flüssigkeit.

Da meine Schuhe von gestern noch zu nass waren, war ich in Sandalen unterwegs, bekam aber sofort Socken und passende Gummistiefel. Außerdem sollten wir uns nochmal mit einem Anti-Insektenmittel einreiben bevor es durch die hohen Gräser ging. Ich wurde den Verdacht nicht los, dass dies einfach nur Seife war...

Wir bekamen beide einen Korb in die Hand gedrückt und schon stiefelten wir los. Es gab hier in der Region wohl so an die 700 Familienfarmen, alle klein, d.h. so wie diese „nur“ um die 30.000qm. Gegenüber auf dem Hügel deckten weiße Planen Reihen von Passionsfrüchten ab, die nach Deutschland exportiert wurden. Hier wurden drei Arabica-Sorten Kaffee angebaut: Typica, Bourbon und Catimors. Außer September-November, wo es auch hier heißer wurde, blieben die Temperaturen konstant angenehm. Hier fehlte zwar die Lava-Erde, von dem die Kakaofarm profitiert hatte, aber Sonne und Regen, reichlich im Wechsel, gab es auch hier ausreichend. Er zeigte uns - zurecht mit Stolz - was sie neben Kaffee, Bananen und Avocados noch in ihrem Garten anbauten: riesige Kräuterbüsche, von Tomaten, über Maniok bis hin zu diversen Früchten war alles reichlich vorhanden.


Es begann auch hier mit einem Blick auf die Blüten, die intensiv süßlich duften, wir lernten Reifegrade und unterschiedliche Sorten kennen, dann schnallten wir uns den Korb um bei dem ich mich so ungeschickt anstellte, dass dies den ersten Lacher garantierte. Wir stapften brav durch die erbarmungslosen Sonnenstrahlen und wurden für eine Weile allein gelassen. Wir durften rote Kaffeebohnen pflücken und gaben uns reichlich Mühe. Wir schwitzten und wichen Insekten aus und unser Korb war noch nicht mal zu einem Drittel gefüllt, als Don Jaime wiederkam. Eric war mutig den Hang weiter runtergestapft, was ich mir in den Gummistiefeln nicht getraut hatte. Als ich dann sah, dass er doch einige mehr gepflückt hatte, griff ich schnell in seinen Korb und nahm mir eine Handvoll in meinen. Das führte dann zu einem echten Lachanfall und anerkennendes Grinsen bei unserem Gastgeber. Er konnte nicht mehr vor Lachen. Sehr schön, die Stimmung war super! Wir hätten prinzipiell auch noch länger gepflückt, denn uns hatte der Eifer gepackt, aber aus der prallen Sonne herauszukommen, tat auch gut.

Zurück am Haus freute er sich, dass wir um ein Foto baten, wir tranken alle einen frischen Obstsaft, genossen schweigend die Aussicht und dann gingen wir um die rot weiß gestrichene Finca drum herum. Hier sahen wir die Maschinen und probierten erstmal die ältere, per Hand betriebene aus. Sie trennte die Schale und hinterließ glitschige Bohnen. Wir durften wieder eine im Mund lutschen wie auf der Kakaofarm und auch hier schmeckten wir eine Ananasnote heraus. Er zeigte uns wo und wie lange die Bohnen gewaschen, getrocknet und geröstet wurden und erzählte stolz, dass am 15.Juli eine Lieferung nach Deutschland gehe. Er produziere an die 4.000kg Bohnen pro Jahr und ihm gehörte auch das Café del Alto in Jardín.

Für uns gab es jetzt auch schon wieder Kaffee mit einer besonderen Prozedur in einem teuren, japanischen Gefäß. Ein Paar aus Medellin war dazugestoßen, was komplizierte Zusammenhänge auf Englisch übersetzen konnte.

Vor der Tür wurden uns dann noch die winzigen Bienen gezeigt, denn sie stellten auch Honig her, dann wurden wir gefragt ob wir mit einem Jeep, der grad eine Gruppe gebracht hatte, zurückfahren wollen. Ha, wir sind also diesmal (zum normalen Preis!) wieder in den Genuss einer privaten Tour gekommen. Aber wir wollten noch nicht fahren, wir hatten doch die Lunch-Option gewählt. Schüchtern hakten wir nach und jaja, das sei kein Problem. Bis es so weit war, durften wir durch den Garten schlendern, den Ausblick weiter genießen und Vögel, v.a.Kolibris beobachten. Zu beobachten war auch wie blutige Insektenstiche in unserem Gesicht, am Hals, an den Waden und Oberarmen anschwellten. Es war wohl eine verwandte, Blut beißende Art wie die verhassten Sandfliegen in Neuseeland. Immerhin ungefährlich nur sahen wir jetzt wie Streuselkuchen aus.

Das Essen für je 5,50€ war ein Gedicht! Bis auf den Reis bauten sie alles selbst an und wir waren happy die regionale Küche probiert zu haben. Es regnete nämlich auch gerade, sodass wir hier sicher unterm Dach warteten, dann bezahlten, uns herzlich verabschiedeten und noch ein Stück in die Gegenrichtung liefen um Jardín von oben zu bewundern.

Auf dem Rückweg folgten wir dann Suzans Empfehlung und tranken bei „Entre montanas“ (zwischen den Bergen) mit einer einzigartigen Aussicht frisch gepresste Säfte für je 1.10€. Der Ausblick war magisch und erinnerte uns an unsere Motorradtour in Vietnam.

Wir genießen gern den Augenblick und erfreuen uns an neuen Abenteuern, denken aber auch sehr gern zurück an bereits Erlebtes. So sinnierten wir auch vor uns hin, wie schön es wäre, wenn wir wieder wie in unserem Sabbatjahr viel mehr Zeit hätten. Dann hätte sich der Flug nach Südamerika noch mehr ausbezahlt und wir würden einfach weiter nach Peru und Bolivien, im Anschluss nach Chile und Tasmanien reisen. Ein neues Sabbatjahr ist gedanklich schon gefüllt, es kribbelte mir in den Fingerspitzen…Aber fünf Wochen Sommerurlaub sind schon auch Luxus und uns ist durchaus bewusst, dass Arbeiten=Geld verdienen=weitere Reisen bedeutet. Aber ich meine ja nur…schön wärs schon.

Begleitet von Vogelgezwitscher liefen wir zwischen den Bananenstauden zurück, ich wies Eric auf eine haarige Spinne hin, die er mit Begeisterung studierte und euch ein Foto schoss ;) Warum sollte ich auch allein leiden? ;)

Vom Balkon aus bewunderten wir einen Regenbogen und nutzten bewusst den freien Nachmittag für die Reiseplanung und ich las ein wenig als Eric spanische Verben wiederholte. Die nächsten Busse, Flüge und Hostels waren gebucht, immer kritzelte ich dabei auf meinem groben Reiseverlauf herum, damit alles für uns wichtige in die fünf Wochen passte. Abends gabs dann den Rest Spaghetti und wie beim Frühstück Joghurt mit Müsli und das restliche Obst als Nachtisch. Zwischendurch war hier richtig Betrieb, aber wir verstanden die Leute nicht. Alle taten welterfahren, aber keiner grüßte, niemand wischte sein verschüttetes Gewürz weg, alle blieben unter sich, niemand machte das Licht hinter sich aus…seltsam. Typisch Europäer? Typisch Mensch?



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