Es war mal ein völlig neues, seltsames Geräusch. In der Nacht schliffen die Weidenästchen übers Dach, ab und an peitschte mal ein kleiner an der Seite ran. Ab dem Morgen wehte ein heftiger Wind!
Wir erfuhren, dass auch die Boote nicht über den See fahren würden (aber das betraf dann wohl doch nicht alle Anbieter, denn nachmittags sahen wir mehrere).
Die Fahrt saß uns in den Knochen, so richtig fit war ich auch noch nicht und so holten wir erstmal Informationen ein. Zum See hin gab es einen Weg, der links und rechts mit Hütten der verschiedenen Anbieter gesäumt war. Es war richtig angenehm, dass uns nicht jeder anquasselte und nervte. Später erfuhren wir, dass dies jedoch nicht an guter Erziehung und kultureller Zurückhaltung liegt, sondern an einem offiziellen Verbot. Auf den Hütten waren Kameras angebracht und es stand tatsächlich unter Geldstrafe Touristen von allen Seiten anzuschreien und zu nerven :D Genial, denn man buchte ja so oder so! Einige waren natürlich schlau und versuchten einen hinter den Hütten abzufangen. Einfach getrost weiter laufen.
Eric lernte Spanisch, ich las in dem Buch, welches ich im Hostel in Costa Rica mitgenommen hatte. Ein toller Roman: Die Treppe zum Himmel; spielt in Paris zur Zeit der Erbauung des Eiffelturms.
Gegenüber hatte die Copec Tankstelle die Preise für die Toiletten gestrichen und keinen störte es, wenn wir mehrmals kommen würden. Die Sonne schien und ein Tag rumtrödeln tat gut. Wir entschieden auch nicht mehr bis nach O‘Higgings weiterzufahren. Das Gerumpel war einfach zu krass im Auto, der Zustand der Straßen übel und es frass zu viel Zeit.
Dennoch hier ein paar Infos zur Carretera Austral, die wir nun doch nicht bis zum Ende fahren würden:
1.240 km lange Straße
der größte Teil ist nicht asphaltiert, sondern mit Schotter bedeckt
die auch Ruta 7 genannte Straße verbindet Puertto Mont mit O‘Higgins
wobei zwischendurch drei Fähren genommen werden
die Fernstraße wurde ursprünglich aus militärischen Zwecken, auf Grund der nahen Grenze zu Argentinien, erbaut
die Fahrtzeit variiert bis zu schätzungsweise 35-40h
Trampen ist hier normal & ungefährlich und wenn ihr könnt, nehmt auch welche mit
Wir trafen uns Nachmittag mit Andrés. Wir buchten eine Gletschertour für den morgigen Tag und er erklärte uns ein paar Details. Er und seine Freundin konnten wirklich gut Englisch und waren sehr sympathisch. Nebenan gabs einen kleinen Handarbeitsladen und zum Abschluss des Tages liefen wir hinter der Stadt einen Pfad nach oben um einen Blick auf den See und die Bergkulisse aus höheren Ebenen zu erhaschen. Die gelben Blüten verströmten einen starken, süßen Duft.
Abends briet Eric dann kleine Nuggets, rührte Avocado-Creme an und rollte alles in mit Käse gebratene Tortillas.
Die Nacht war allerdings dann weniger erholsam. Ich hatte gedacht ich sei auf dem Weg der Besserung, aber mein Körper belehrte mich eines Besseren. Ich hatte Bauchweh, Eric suchte in der Nacht unsere Buscopan Plus und nahm selbst etwas gegen Kopf- und Nackenschmerzen. An Schlaf war kaum zu denken. In solchen Momenten, meine Lieben, sehnt man sich nach seiner Couch mit Kuscheldecke :D
Wir waren eigentlich 7 Uhr mit Andrés verabredet, doch schrieben ihm erstmal, dass ich nicht sehr fit sei. Bezahlt hatten wir schon und das Problem war, dass er morgen keine Tour anbietet. Dann müssten wir zu einem Kollegen, aber Andrés war ja so sympathisch und auf Grund der Zeit konnten wir es nicht ewig aufschieben. Wir überlegten hin und her, zogen uns dann schichtweise warm an, packten fix alles ein und entschieden uns die Pobacken zusammen zu kneifen. Ich konnte doch an einem so schönen Tag nicht schwächeln!
Am Van angekommen sahen wir zwei Belgierinnen, Anke und Eva, die wir gestern schon kurz auf dem Hügel getroffen hatte. Wir warnten sie vor, dass wir heute einige Pausen brauchen würden, aber das war okay. 75min Fahrt standen uns nun bevor und ich konnte noch ein bisschen ruhen. Der liebe Andrés hatte sogar Tabletten mitgebracht. Außerdem, das hatten wir gestern mit seiner Freundin ausgemacht, hatte er Wanderstiefel für mich mit. Seine Freundin hatte einen kleinen Verleih und ich bezahlte knapp 10€, weil ich ja so eine Stolperqueen bin ;)
Ansonsten war alles im Preis inbegriffen, d.h. wir bekamen je einen Rucksack, einen Helm, eine kleine Provianttüte mit Schoki, Riegel, Apfel, Ei-Brötchen und Apfelsaft und Gamaschen sowie Steigeisen.
Wir alle gingen am Parkeingang nochmal auf die Toilette und dann setzten wir Helm und Rucksack auf und stiefelten los, hinein in den Parque Nacional Laguna San Rafael. Das angenehme war, dass pro Guide wohl sechs Personen erlaubt sind, aber Andrés nur 4er Gruppen betreut. Das finden wir angenehm, familiärer und verantwortlicher.
Es ging erst durch den schattigen Wald und wir merkten schnell, dass Andrés uns viel über die hiesige Natur erklärt. Richtig toll. So erfuhren wir, dass die großblättrige Pflanze mit den Stacheln, die Eric am Wasserfall fotografiert hatte, gegessen werden kann. Man muss dazu das untere Drittel des „Stammes“ nehmen (der Rest ist zu bitter), die Schale mit den Stacheln schälen und dann die in Ringe geschnittene Pflanze salzen. Spannend. Und dann ging’s los über weites Geröllfeld und mir schwante schon jetzt Böses, wenn ich an den Rückweg dachte. Da auch dieser Gletscher immer mehr schmilzt, wird der steinige Weg bis dorthin immer länger. In zwei bis drei Jahren wird diese Tour gar nicht mehr angeboten werden können, denn dann sei der Gletscher zu weit geschmolzen, der schon kleine entstandene See dann zu groß, erklärte Andrés. Wie schade.
Ich durfte mich regelmäßig auf einem Stein ausruhen, denn so richtig angenehm war es nicht für mich hier rumzuwandern. Irgendwann zogen wir dann die Gamaschen und Steigeisen über die Schuhe und übten erstmal an einem kleinen Stück bergab und bergauf zu stapfen - wie kleine Pinguine. Die Landschaft mit den Spalten, Bächen und Eishöhlen, die sich uns ab jetzt bot, war einfach magisch! Wir quasselten alle, fragten viel, schossen Fotos, freuten uns und waren bald eine der letzten Gruppen auf dem Eisfeld. Nur noch Andrés Freundin, die heute ebenfalls eine 5er Gruppe anführte, war hinter uns :) Wir brauchen gar nicht viele Worte, seht selbst, es sind genug Bilder :D
Ich fühlte mich in all den blauen und türkisfarbenen Höhlen wie zuhause :) Eva und ich quatschten und ruhten uns aus, als die anderen drei noch ein Stück weiter gingen und ab dem Moment, wo wir die Gamaschen und Steigeisen wieder im Rucksack verstauten, ging’s bergab. Wir hatten bereits 5x Sonnencreme über den Tag hinweg aufgetragen, aber die Sonne schien jetzt stark und verursachte unter unseren schützenden Helmen starke Kopfschmerzen. Auf Grund meiner Bauchschmerzen hatte ich kaum etwas gegessen und der Weg über das steinige Geröllfeld erschien endlos. Ich kämpfte jeden Meter, Eric trug meine Jacke, Pausen waren nicht mehr so viele drin, weil wir schon sehr spät dran waren. Meine Erleichterung war riesengroß als wir endlich wieder an der Rangerstation ankamen, Helm und Schuhe ausgezogen werden konnten und ich auf Erics Schoss die Rückfahrt schlafen konnte. Das war ein Tag!
Als wir aber beide abends die Fotos anschauten, waren wir uns einig: jeder Schritt hatte sich gelohnt.
Ich hatte Andrés auf dem Weg gefragt, ob es eine Wäscherei in der Stadt gebe und er meinte, wir könnten einfach seine Waschmaschine benutzen. So nett! Wir packten alles in einen Müllbeutel - es war wirklich Zeit - und er nahm es mit zu seinem Haus. Es war ja schon ein bisschen peinlich, dass sie unsere Stinkesachen wuschen, aber sie meinten, sie wären auch schon im Van gereist und das sei alles kein Problem. Wir tauschten wieder alle Kontaktdaten, auch mit den Mädels, und dann dauerte es gar nicht so lang bis wir erschöpft ins Bett fielen. Unsere Gesichter brannten von Sonne, Wind, Wetter und Anstrengung. Wir glühten und packten kühlende Feuchtigkeitscreme drauf. Zum Glück hatten wir genug Sonnencreme genutzt. Wir waren zwei Stunden später als geplant zurückgekehrt und 11h auf den Beinen gewesen. Davon sind wir 2,5h über eine Schotterpiste gefahren und 12km übers Eisfeld und Steine gewandert.
Das hat irgendwie was schauriges an sich so ein Gletscher🥶aber auch total beeindruckend und wunderschön.Deine Bezeichnung magisch find ich sehr treffend. Habt ihr Knackgeräusche vom Eis gehört?