Früh waren wir mit die letzten, die sich aus dem Bett schälten. Die Italiener waren schon abgereist, danach verabschiedete sich Monika, die Schweizerin, herzlich. Vielleicht würden wir sie nochmal am Flughafen treffen, denn sie hat einen Flug eine Stunde nach uns. Nach ihr fuhr auch der Franzose Brice weiter, natürlich nicht ohne uns vorher umarmt und mir Luftküsse zugeworfen zu haben. Die zwei Chilenen frühstückten zeitgleich mit uns und wünschten uns dann eine gute Reise. Zurück blieben wir mit Holger aus Lübeck, der Eric eine Packung Kaffee schenkte und Heidi aus Minnesota. Holger machte sich auch startklar und Heidi fragte hoffnungsvoll ob wir die Nacht bleiben würden. Doch leider wollten auch wir weiter und es tat uns Leid, dass sie nun allein hier auf der großen Wiese zeltete. Aber sie nahm es gelassen und stiefelte los zu einer Wanderung.
Auch wir liefen die kleine 6km Runde, La Vega, im Tal, aßen vorn im Laden ein super leckeres Sandwich, nutzten das Wifi und schauten das Museum an. Ich sag’s euch: klein, aber fein. Es ist definitiv eines der beeindruckendsten Museen, die ich je besucht habe! Es klärt nicht nur über die Geschichte des Gebiets Westpatagoniens mitsamt der Entstehung des Nationalparks auf. Es bildet auch in Bezug auf Zukunfts- und Umweltsthemen. Man kann sehen, hören, probieren und beeindruckende, aber auch sehr beängstigende Beispiele veranschaulichen, dass es mit dem baldigen Kollaps nicht mehr weit ist. Artensterben. Überbevölkerung. Massentierhaltung. Müllproduktion. Wasser- und Ressourcenverschwendung. Mangelnder Respekt an der Natur. Abholzung. Ihr kennt es.
Wir waren sehr betroffen und schweigsam. Dieses Museum bringt es in wenigen Räumen auf den Punkt, bietet Lösungen, mahnt zur Veränderung. Und steht am völlig falschen Ort. Wer hier campt, ist der Natur bereits nah und hat auf dem Weg hierhin schon viele der Probleme live gesehen. Dieses Museum müsste es in jeder großen Stadt geben um auch die letzten Ignoranten wachzurütteln. Wer weiß…wir hoffen das Beste.
Wir liefen zurück, vorbei an einer Guanaco-Familie und hinterließen Heidi einen kleinen Zettel. Sie selbst hatte uns gemeinsam mit Monika den nächsten Campingplatz empfohlen. Als wir losfuhren, freuten wir uns sie nochmal kurz zu sehen. Mit allen waren Instagram-Kontakte, unser neues Telefonbuch, ausgetauscht wurden. Wir fuhren eine lange halbe Stunde über die holprige Straße weiter östlich zum Camping Casa Piedra, wo uns Benjamin, der dort stationierte Ranger herzlich empfing. Zunächst fühlten wir uns völlig erschlagen, da er in einem Mix aus Englisch und Spanisch drauf losquasselte, aber der 23 jährige freute sich einfach in seiner Abgeschiedenheit über neue Gesichter und es wurde noch ganz lustig. Während wir kochten, erklärte er uns ein paar witzige sprachliche Feinheiten, erzählte von seinen verschiedenen Jobs, der Natur hier und war auch selbst sehr neugierig. Irgendwann sprang er auf und schenkte uns eine kleine grüne Feder eines hiesigen Vogels, dem Cachaña.
Wir wünschten uns eine gute Nacht und dann liefen Eric und ich die kleine Brücke zurück zum Parkplatz, wo wir nächtigten. Es war bitterkalt und wohl definitiv eine der kältesten Nächte.
Wir waren ja fast schon froh als die kalte Nacht vorbei war. Vorbei ist mit dem heutigen Tag allerdings auch das erste Drittel unseres Reisejahres!
Beim Frühstück - wieder musste alles über die Brücke getragen werden - erklärte Benja zerknirscht, dass er nicht mit uns wandern könne, da er auf einen Kollegen warte, der ihm Essen bringen wird. Aber er versprach für unsere Rückkehr das Feuer zu schüren, welches auch die Duschen heizte.
Wir liefen den 16km Rundweg Valle Aviles und mochten besonders die Hängebrücken. Mal wärmte die Sonne, mal pfiff der Wind, mal beobachteten wir ein säugendes 4-5 Tage junges Guanaca-Baby an seiner Mama. Ich war definitiv wieder fitter und freute mich über die Bewegung.
Fast am Haus zurück sahen wir dann auch die Art grüne Papageien, aber deren Feder nun in meiner Handyhülle steckt. Dann genossen wir die heisse Dusche. Laut Benja Patagoniens beste Dusche :D
Denn wisst ihr was? Hier ist ja gerade Frühling und Eric und ich hatten Heuschnupfen vom Feinsten! Die Augen juckten und tränten, die Nase lief. Ekelhaft.
Benja erzählte dann, dass er einen Apfel, eine Banane, eine Orange usw. bekommen hatte und immer nur eine Hälfte aß um es sich einzuteilen. Sein Kumpel/ Kollege hatte einige Sachen vergessen einzukaufen und er war schon so dünn. Eric hatte dann am Auto die Idee, dass wir ihm auch einfach noch Essen abgeben können. Denn wir sind eher wieder in der Zivilisation und haben bei allen Ausgaben doch definitiv mehr Geld als der Nationalpark-Angestellte. Eric lief also mit zwei Möhren, zwei Staudenselleriestangen, zwei Orangen, einer Instant-Nudelsuppe und einem Schokoriegel zurück und erzählte, dass Benja, der uns beim Abschied herzlich in den Arm genommen hatte, ganz gerührt war. Also packten wir ihm noch eine Packung Haferflocken, eine Packung Reis und ein Glas Tomatensoße ein, Eric lief nochmal hin und jetzt freute er sich noch mehr. Und da freuten wir uns doch gleich mit :) Kann doch nicht sein, dass er ständig Hunger hat. Ich hoffe, dass mehrere Gäste mit ihm teilen und essen werden :)
Wir winkten und fuhren dann zurück. Wir wollten wenigstens in Stück weg schaffen. Leider ging es ab jetzt wieder gen Norden; den für uns südlichsten Punkt hatten wir hier erreicht und verabschiedeten uns auf unbekannte Zeit von dieser herrlich, friedlichen Natur. Wir fuhren zurück bis Río Tranquillo, der nächsten „Stadt“, wo wir wussten, dass wir einen guten Schlafplatz haben werden. Schrotti schlitterte sich mit seinen kleinen Reifen die Hügel hinauf und es gab einen Knall, bei dem wir mörderisch erschreckten. Vielleicht ein riesiger Stein. Es lief nichts aus, die Räder waren ganz. Irgendwann streckt eine junge Frau den Daumen hoch und wir können einfach nicht Nein sagen. Also hielten wir an, ich krabbelte hinten aufs Bett und sie durfte auf den Beifahrersitz. Estrella war ebenfalls 31, kam aus Viña del Mar und glaubte uns nicht, dass wir älter seien als 25. Eric schätzte sie sogar frisch rasiert auf 22. Wir machten während der noch gut 45 minütigen Fahrt, auch zu ihrer Freude, einige Fotostopps und ich verstand sie ganz gut, sodass eine einfache Kommunikation aufrecht erhalten werden konnte. Ich war ja mächtig stolz
als sie meine Brocken Spanisch lobte und musste lachen.
Als wir endlich, denn es war echt ein Ritt, im Ort angekommen sind, lud sie uns als Dank zum Hot Dog essen ein. Der Completo sei in ganz Chile ein bekanntes Fast Food und war doppelt so lang wie unsere Mini Hot Dogs. Wir Mädels nahmen allerdings am Foodtruck den Italiano. Würstchen, frische Tomaten und viel Avocado-Creme oben drauf. Es war mittlerweile 22 Uhr und wir drei Bissen herzhaft in unsere Brötchen. Auf einmal legte jemand seine „Hand“ auf meine Schulter und ich fragte mich, wer mich denn da so vertrauensvoll verwechselte, drehte mich um und sah in die Augen eines Hundes. Ich habe mich bald zu Tode erschrocken, die beiden lachten nur :D Es war sehr nett, aber auf Grund des kalten Windes waren wir auch froh, als wir uns dann verabschiedeten.
Doch am Auto konnten wir nicht etwa ins Bett fallen. Nein, wir entdeckten die Ursache für den Knall. Einer der Wasserkanister war implodiert und hatte das Wasser auf dem Boden verteilt. Meine Socken waren voll gesaugte Päckchen und erstmal musste alles zum Trocknen ausgebreitet werden, wir nahmen alles raus, wischten aus, schauten, was betroffen war (das Klopapier, thihi), aber es war Gott sei Dank nur wenig. Es hätte schlimmer kommen können, machte aber kurz vor Mitternacht trotzdem nicht viel Spaß und wir waren froh uns endlich ins Bett kuscheln zu können.
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