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einjahrblau

Tag 129: Fallschirmsprung

Aktualisiert: 28. Dez. 2022

Neuer Tag. Neues Glück!

Wir haben es getan. Einfach so. Recht spontan, wobei, wenn wir ehrlich sind, haben wir immer gesagt, wenn wir es tun, dann in Neuseeland. Tja und nun ist es zu spät. Die Erinnerungen bleiben ewig und erzählt haben wir es keinem, ihr lest es also alle jetzt :) Und bereuen tun wir es auch nicht. Wie es zu dieser Entscheidung kam? Na fangen wir erstmal am Tagesanfang an, sonst wird es zu durcheinander.


Früh um acht erwachten wir aus dem erholsamen Schlaf und nutzten die Duschen und die Küche für unser Müsli. Ab jetzt war wieder Zeit für die täglich grüßende Haferflocke…das Zelt hatten wir in die Sonne gezogen, denn nachts hatte es nochmal frisch geregnet. Eric brachte aus der Dusche eine widerliche, bereits tote Spinne mit. Wir konnten trocken alles ins Auto räumen; es sieht etwas chaotisch aus im neuen Schrotti II.

Wir hielten auf dem Weg in den Ort Paihia an einer kleinen Bucht, wo mich prompt ein kleiner Pudelmix über und über mit Schlick bekleckerte. Dann hielten wir an einem weiteren Strand und cremten uns erstmal ein. Man fühlt hier richtig, wie die Sonne auf der Haut brennt; Schuld ist ein riesiges Ozonloch. Wir liefen am Strand vor in die „belebte Zone“ und schauten uns die Touren-Angebote hier in der malerischen Bay of Islands, also Bucht der Inseln, an.

Es war echt schön hier und Eric schlug vor irgendetwas davon zu buchen. Die Bootstouren waren uns zu langweilig, die Jetski-Touren zu teuer dafür, dass man sich eins teilen muss. Wir finden allein fahren viiiiel cooler. Tja und dann entdeckten wir das Angebot, den Promo-Code sozusagen, fürs Skydiving. Der Mann im Büro war echt witzig und ließ uns Überlegen. Wir checkten im Internet die Preise für verschiedene Orte und tatsächlich hatte er ein gutes Angebot und hatte auch Recht damit, dass es nach Weihnachten auf Grund der Hauptsaison noch teurer werden würde. Tja und was soll ich sagen? Zum 30.Geburtstag hatte ich von Eric einen Gutschein bekommen, dass ich einen Sprung machen werde und hatte mir dafür sowieso Neuseeland ausgesucht. Alleine finde ich aber doof und deshalb hatte ich ihm zum 32.geschenkt, dass er mitmacht ;) Gemeinsames Abenteuer durch und durch. Wäre doch doof, wenn er unten steht und wartet. Und da standen wir nun und buchten grinsend den Fallschirmtandemsprung - gut angelegtes Weihnachtsgeld sozusagen.


Doch unsere Kreditkarten funktionierten nicht. Okay, dadurch verschob sich alles nach hinten, denn wir mussten erst zum Geldautomaten. Dort wurde eine Auszahlung aber auch abgelehnt, beim Kugeleis ebenfalls. So langsam kam Panik auf. Denkt ihr an das, an was wir dachten? Ja? Genau. Das private Mietauto, was einem Betrüger gehörte. Entweder hatte die Bank nach Zahlungsversuch die Karten gesperrt oder der mysteriöse, arschige Unbekannte trieb sein Unwesen. Herzlichen Glückwunsch, wir Chaoten hatten es geschafft. Schön kurz vor Weihnachten. Wir saßen am anderen Ende der Welt in einem der teuersten Reiseländer und hatten alle drei Kreditkarten gesperrt. Mit gesenkten Köpfen schlichen wir zurück und ich musste die Tränen zurückhalten, als wir mitteilten, dass wir die Sprünge nicht durchführen können. Doch nach einigen Telefonaten wurde uns angeboten, vor Ort am Bürocomputer eine Überweisung durchzuführen. Wir fuhren erstmal hin. In Neuseeland gibt es nur eine Account-Nummer, nicht wie bei uns eine IBAN. Nach vielem Probieren klappte eine internationale Überweisung bei der Postbank, ich hatte es bei der Sparkasse nicht finden können. Wir waren noch nie so erleichtert ein kleines Vermögen loszuwerden. Aber in diesem Fall bekamen wir für diesen stattlichen Preis (heute wird mal genossen und geschwiegen ;)) ein unglaubliches Erlebnis. Wir lassen uns natürlich nicht lumpen und buchten die höchste Sprunghöhe von 20.000 Fuß, also ca.6.000m. Letzen Endes flogen wir aber sogar auf 21.000 Fuß.


Wir schauten uns erst ein Sicherheitsvideo an, bekamen dann Anzug, Gurte und Mützchen angezogen, dann bekamen wir nochmal eine Briefing von unserem jeweiligen Tandempartner. Da wir uns vorher wiegen mussten, igitt igitt, bekam die Feder Eric den muskelbepackten und ich Klops den zarteren Maurice. So schien das jeweilige Gesamtgewicht stimmig :D Tja und dann ging’s ab ins kleine Propellerflugzeug. Die Aussicht auf die Buchten von hier oben war magisch. Als wir dann aber Sauerstoffmasken aufbekamen, damit der Körper in der Höhe nicht ganz so zu kämpfen hat, stieg die Nervosität. Vor uns sprang weiter unten einer allein ab - dem zuzuschauen, wie er in die Tiefe fiel, war schon skurril. Erics Hände begannen zu zittern, es ist nämlich sein zweiter Sprung und er wusste worauf er sich hier eingelassen hatte. Ich umklammerte die Haltestange und versuchte meinen Atem ruhig zu halten.

Auf einmal wurden die Masken abgenommen, die Schutzbrillen drüber gezogen (das machen alles die Profis, man sitzt da wie eine Puppe), Eric und ich wurden jeweils nach vorn geschoben, die Hände um die Gurte gelegt, der Kopf nach hinten gebogen und wir sollten die Füße nach hinten klappen. Sie sagten wir seien jetzt gebogen wie Bananen. Zuerst wurde Eric in die Tiefe geschubst und ich schrie erschrocken auf. Zu sehen wie er quasi im Himmel verschwand, versetzte mir einen größeren Schreck als mein eigener Todesstoß. Ich staune, dass ich gar nicht in Panik geriet und zack, nach wenigen Momenten schubste Maurice auch uns aus dem Flugzeug. Ich kann das gar nicht in Worte fassen. Ich war entsetzt und fasziniert sogleich. Wir strudelten mit freien Fall wie Kreisel nach unten und Maurice klopfte zum Zeichen, dass ich jetzt die Arme ausbreiten könnte, gegen meinen Oberarm. Aber ich klammerte so fest, dass er einfach meine Hände löste und dann sausten wir weiter hinab. Die Brille drückte gegen Stirn und Gesicht und am schlimmsten waren die Ohren. Die schmerzten auf Grund des Druckunterschieds und das war echt verdammt unangenehm und beängstigend. Ich erfuhr danach, dass es Eric genauso ging. Gleichzeitig wies Maurice mit der Hand immer auf etwas hin, wo ich hinschauen sollte und ich versuchte die Welt von oben zu genießen. 85 Sekunden sausten wir im freien Fall, dann öffnete Maurice den Fallschirm und wir wurden heftig abgebremst. Ich gab einen erschrockenen Laut von mir und dann durften Eric und ich jeweils selbst die Schnüre zum Lenken halten und Rechts- und Linkskurven drehen. Da ich mich nicht hier oben übergeben wollte, übertrieben wir die strudelnden Kurven allerdings nicht und dann winkte ich Eric, der bereits zu meinen Füßen gelandet war aufgeregt von oben und wir landeten neben ihm im Gras. Wahnsinn! Das waren die teuersten und abenteuerlichsten Minuten unseres Lebens! Naja wobei die Mathe-Abiprüfung dem Abenteuer gleichzusetzen ist :D

Und zack, so schnell war es vorbei, die Öhrlis schmerzten und wir waren völlig benommen. Aber glücklich! Endlich hatte ich es getan und das auch noch total spontan :) Wahnsinn.

Doch tja, so ganz konnten wir die Gefühle eben nicht auskosten, weil da noch das Problem mit der Kreditkarte im Kopf geisterte. Wir fuhren los um auf der Polizeiwache Anzeige zu erstatten. Wir wollten nur auf Nummer sicher gehen, dass Erics Ausweise als gestohlen gelten, sollte damit Unfug getrieben werden und um Barclays etwas vorlegen zu können. Dann klapperten wir die Banken ab, da wir unser Bargeld in neuseeländische Dollar umtauschen wollten. Leider ist das aber seit 2020 nicht mehr möglich, nur in Auckland und da kommen wir ja gerade erst her.

Oh man…mein Hirn ratterte und dann fiel mir ein, dass vor 12 Jahren in den USA meine Kreditkarte auf Grund eines technischen Fehlers auch nicht ging, aber ich mit der „normalen“ Girocard abheben konnte. Und das probierten wir jetzt. Die Gebühr war genauso wie bei der Kreditkarte, aber das war grad sowieso egal, denn wir hielten gerade ganz stolz und erleichtert 200NZD in der Hand. Das war erstmal beruhigend. Wir mussten dringend einen kühlen Kopf bewahren, Gott sei Dank hatten wir vorher Essen eingekauft. Wir fuhren zu einem DOC - Department of conservation am Tokerau Beach. Eigentlich dürfen da nur Self Contained Vehicles stehen, d.h. Autos, die eine Toilette und Co.an Board haben. Aber das war uns jetzt mal egal, denn wir konnten in der Situation kein Geld für einen Campingplatz ausgeben. Die Düne neben einem langen, weichen Sandstrand war gut gefüllt mit Campervans, aber auch ein paar PKW standen hier rum. Wir fragten einen Einheimischen, ob er denkt, dass wir unser riesiges Zelt hier aufstellen können und er meinte, ach klar, da kommt eh selten jemand kontrollieren.


Er nutzte prompt das Gespräch und meinte er selbst könne in seinem Camper nicht fahren, ob wir schnell mit ihm einkaufen fahren würden und er kauft uns Bier und Cider. Wir sind so schlecht im Nein sagen und so fuhr Eric mit ihm los und ich ging zu zwei Deutschen „neben“ uns. Ich plauderte drauf los und erzählte, was passiert ist und Siggi war so nett mir einen Hotspot zu öffnen (z.Z. hat erstmal nur Eric eine funktionierende Simcard) und ich konnte Barclays eine Anfrage schicken, was hier los sei. Dann empfahl mir seine Freundin Leona bei Revolut eine Kreditkarte zu beantragen und half mir auch gleich dabei. Das war eine international einsetzbare, schnell einsetzbare Variante. Jetzt wurde erstmal durchgeatmet, wir tranken ein Bier zusammen und erzählten uns gegenseitig die besten Reiseerlebnisse. Eric war nun schon eine Stunde mit dem Typ weg und das fühlte sich nicht gut an. Ich war heilfroh, als ich die Scheinwerfer um die Ecke kommen sah.

Sie waren viel länger unterwegs gewesen, als gedacht. Es stellte sich heraus, dass Glen zwar sehr nett war, aber ein Alkoholproblem und eine lange Leidensgeschichte samt Scheidung und Unfall hinter sich hatte. Deshalb hatte er überall Wein aufgetrieben, schon im Auto eine Flasche geext, leider keinen Cider gefunden, dafür aber für Eric 15 kleine Bierflaschen gekauft. Na da. Und Eric hatte die ganze Zeit verzweifelt im Auto gewartete. Uns stand nun im Dunkeln noch Zeltaufbauen und Matten aufpumpen bevor. Und das alles in den Heuschnupfen-fördernden Gräsern. Auch heute schlief ich wieder ein, bevor wir etwas aßen.


63 Ansichten2 Kommentare

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2 Comments


susannjacqueline.kellner
Dec 27, 2022

Der Anfang eines neuseeländischen Kriminalromans ? Ich glaube ich hab die Luft angehalten beim lesen 😁 Dass Eric es noch einmal wagt hätte ich nicht gedacht, aber Geschenk is Geschenk . Aber schön, dass ihr irgendwie noch lebt 😂 Die Muschelstrände lassen mich wehmütig werden und diese gruselige Spinne verwundern , ich dachte immer Neuseeland hat nur niedliche, harmlose und freundliche Tiere (und Menschen) . Wie man sich täuschen kann 😱

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einjahrblau
Dec 27, 2022
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Ja es war schon beängstigend, aber Wahnsinn! Der Paraglidingflug in Österreich war da mehr Genuss. Tja und die Spinne…also da sind wir auch ratlos. So genau wollte ich sie mir nicht ansehen…

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