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einjahrblau

Tag 14 - Wandern & Bootfahren in Guatapé

Die Nacht war der Horror! Wenn einer eine Reise tut…vielleicht werden wir zu alt für 6er Räume, vielleicht hat uns die Rücksichtslosigkeit der menschlichen Bevölkerung auch schon immer gestört. Ein Bett blieb frei, die beiden jeweils unter uns dünsteten nur schwach ihr Bier aus. Aber ein älterer Kolumbianer (?) schnarchte so dermaßen laut, wirklich wie ein Sägewerk, dass für uns vier an Schlaf nicht zu denken war. Sogar mit Oropax! Ich las mitten in der Nacht 4 Uhr sogar ein wenig, da wir uns alle hin und her wälzten. Ich lag wach, spähte herum, ob von einem der drei Männer Rückhalt zu erwarten war und schmiedete Pläne. Nix tat sich, also hopste ich vom Bett und rüttelte beim Schnarcher solange am Bettpfosten, bis er sich drehte. Man man man…Eric und ich waren früh völlig gerädert und übten Rache. Mehrmals ließen wir das grelle Neonlicht über ihm an, trampelten, ließen Schuhe fallen, knallten die Tür, unterhielten uns laut, machten Metal an…Oh ja, da kam der Kampfzwerg aus mir raus. Ging doch echt nicht an, dass der hier wie eine Prinzessin schlief, während wir uns alle quälten. Anhand seines genervten Stöhnens würde ich sagen: Volltreffer. Wir wiederholten es nach der Rückkehr, da schlief der immer noch und baten darum das Zimmer zu wechseln. Wir durften ohne Aufpreis allein, nur wir zwei, in ein 4er Zimmer umziehen…hach.


Trotzdem standen wir gequält auf, frühstückten Müsli und lauter tropische Früchte, liefen dann ein Stück ins Zentrum um dort eins der farbenfrohen TukTuks zu nehmen, die sich hier Motochiva - motorisierte Ziege - nennen. Denn an der Hostelrezeption hatten wir den Tipp bekommen den (hier) berühmten Felsen La Piedra oder auch El Peñol zwischen 7-10 Uhr aufzusuchen, quasi bevor die Busse alle Tagestouristen ausschütteten. Wir ließen uns weiter unten absetzen = preiswerter = mehr Stufen = sportlicher ;) Und waren schon aus der Puste als wir an der Kasse für den eigentlichen Aufstieg ankamen. Als wir runterkamen, standen sie tatsächlich alle Schlange…Der Felsen stand hier einfach so mitten in der Landschaft. Kletterrouten gibt es keine ;)

Wir liefen also über 1.000 Stufen nach oben wobei mir jede Schnecke dieser Erde zur Konkurrenz hätte werden können. Einige Beweisfotos mussten vernichtet werden :D

Noch war es bewölkt, aber für den Aufstieg tatsächlich besser als die prasselnde Sonne vom Vortag. Wir hatten Zeit und ausnahmsweise Geduld, sodass wir die Sonne noch zu Gesicht bekamen. Unser Kumpel Paul war vor 7 Jahren hier gewesen. Auf seinen Tipp hin sind wir hierher gekommen, sonst hätten wir das gar nicht auf dem Schirm gehabt und sein Foto der damaligen Zeit sah ganz anders aus.

damals bei Paul:

heute bei uns:

Wie ihr sehen könnt, waren damals nicht nur weniger Häuser und Straßen gebaut, sondern auch viel mehr Wasser im Stausee mit einer strahlend blauen Farbe. Wir versuchten einen ähnlichen Winkel fürs Foto zu finden; auch der Turm war mittlerweile größer. Die vielen Souvenirläden, Cafés und Schirmchen hatte es damals auch noch nicht gegeben.

Wir genossen die Aussicht und traten nach einer kleinen Weile in der frischen Luft den steilen Abstieg an - hierfür gibt es eine zweite Treppe. In einem Schmuckladen wurden wir in ein nettes Gespräch mit der Kolumbianerin Erika Natalia verwickelt. Sie meinte Männer bringen nur Tränen, grinste nochmal und ergänzte dann noch, aber so einen tollen wie Eric würde sie nehmen. Sie müsse also nach Deutschland kommen. Haha, die wachsen da auch nicht an jeder Ecke ;) Da wir immer noch reichlich Zeit hatten und uns über Bewegung freuten, liefen wir eine Stunde in den Ort Guatapé zurück. Auf dem Weg, der uns teilweise am Wasser vorbei führte, sahen wir nochmal die sonst viel höhere Wasserkante. Die orangefarbene trockene Erde erinnerte an Australien. Wir mussten eine morsche Holzbrücke, die über die Straße führte, überqueren und ich schickte Eric zum Test vor. Selten ist mir etwas so wenig geheuer. Doch irgendwann erreichten wir den Ortskern, schlugen wieder am Obststand zu und bekamen auch heute kleine Kostproben mit in den Beutel. Halb verdurstet, da die Wasserflasche längst leer war, gingen wir wieder auf den schönen bunten Platz zu. Heute probierten wir aber mal ein anderes Café für einen kleinen Snack. Wahrscheinlich war es noch zu früh am Tag, denn es war noch gar nicht ganz so viel Rummel, den wir beobachten konnten. Dennoch genossen wir alle Zeit der Welt bis es uns selbst im Schatten zu warm wurde und teilten uns noch eine süße Sünde, für die gestern wirklich kein Platz mehr gewesen war. Selbst ich muss Zuckerschocks dosieren ;)

Wir kauften eine neue Flasche Wasser und ließen uns an der Seepromenade und anschließend im Hostel über mögliche Bootstouren aufklären. Uns stand der Sinn nach ein paar Infos zur Region und Eric las sich ein, ich befragte den Rezeptionisten. Der Stausee war nur zweimal in den letzten 10 Jahren so leer und die trübere, grünliche Farbe kam - wie wir es uns gedacht hatten - von den weggespülten Erden. Wir waren also nicht gerade zur Glanzzeit hier, aber diesen Wandel nachzuvollziehen, macht ja nicht dümmer.


Um übers Hostel eine Bootstour zu buchen, fehlen zwei Leute. Es kostete Überwindung, aber wir fragten mal rum, stießen aber auf kein Interesse. Also liefen wir wieder vor, frisch eingecremt und mit Maracuja erfrischt. Gleich beim ersten bissen wir an. Er war 32, ich 33, Eric 34. Das musste passen :D Er rief drei Bekannte an, ob jemand übersetzen könne, aber schließlich willigten wir auch so ein, da er sehr deutlich sprach und er freute sich sichtlich. Wir hätten auch allein über den See schippern können, aber uns stand nach ein bisschen Insiderwissen. Eingepackt in Rettungswesten tuckerten wir los und dios mios er rasselte alle Zahlen runter, die ihm einfielen. Preise für die verschiedenen Unterkünfte am See, die Größe, Tiefe und Temperatur des Sees, wie lange man ihn füllen müsste, Jahreszahlen, wann die meiste Sonne schien, welches Haus welcher Schauspielerin und welchem bekannten Mexikaner gehöre, welche Fische man hier angeln könnte und fragte immer wieder mal nach ob die Tour uns gefalle. Uns gefielen die gleichen gemütlichen Anwesen, was ihn sehr freute. Irgendwann fragte Eric nach wo das Kreuz der Dorfkirche sei des Dorfes, das zwangsumgesiedelt wurde als man den Stausee füllte. Wir hatten uns im Hostel nochmal belesen. Ja das, also das könnten wir zusammen mit Pablo Escobars Anwesen und dies und jenem gegen einen doch recht saftigen Aufpreis sehen, denn da müssen wir noch ein Stück fahren. Ein guter Verkäufer war er, das musste man dem Guten lassen. Denn ja, das wollten wir nun sehen und zack wurde gewendet, auch wenn der Himmel mittlerweile fast schwarz gefärbt war. Hier war Pablo Escabars berüchtigte Disco und sein von Feinden zerbombtes Anwesen zu sehen. Beides konnte man als historische Tour besichtigen, es wurde von der Gemeinde verwaltet. Eine private Landebahn für sein damaliges Wasserflugzeug gab es auch. Im Gegensatz zu unseren Guides in Medellin hörten wir heute leichte Bewunderung für Escobars „einzigartige Intelligenz und sein vieles Geld“ heraus, auch wenn er natürlich wisse, dass er viele Leute auf dem Gewissen hatte. Wie hatten es Dio und Pablo formuliert? Wie viele Häuser muss man pro getöteten Menschen bauen um es auszugleichen? Wie viel muss man nach Morden spenden um als Held gefeiert zu werden?

Dann kam das zur Erinnerung an das Dorf El Peñol errichtete Kreuz in Sicht. Es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass unter den Wassermassen, unter uns die Ruinen eines einst glücklichen Dorfes standen. Eric hatte gelesen, dass sich damals 22 (ältere) Menschen geweigert hatten umgesiedelt zu werden und in ihren Häusern blieben, bis sie ertranken. 1992 war der Stausee so leer gewesen, dass man die Ruinen besichtigt hatte. Das älteste Haus, nun über 230 Jahre alt, stand noch, weil es als einziges auf einem Hügel errichtet war. Es war in Privatbesitz aber ein Museum. Drum herum protzten moderne Villen und teure Anwesen. Krass. Auf dem Rückweg sorgten allerdings Wind und Wolken für Gänsehaut und eine weitere „Zusatztour“ schlugen wir aus. Zurück am Steg bedankten und zahlten wir brav, er winkte uns hinterher. Einen leichten Sonnenbrand hatten wir abbekommen. Nach einer Kuscheleinheit und Einrichtung im neuen Zimmer wärmten wir das Kartoffelcurry auf. Danach zogen wir nochmal los, kauften neue Zahnpasta und passend dazu zwei Radler :D Dann liefen wir noch durch die nun beleuchtete Stadt.

Nicht lange und wir liefen auch schon wieder zurück, wo wir auf der Hostelterrasse chillten - wie zwei alte im Schaukelstuhl, Beine hoch, den Weisheiten eines grünohrigen Berliners lauschend. Er erklärte seiner jungen Begleitung, dass man nicht zwei Türen gleichzeitig geöffnet lassen könne, sich aber immer eine neue öffne. Na da. Ihr wisst Bescheid - prüft bitte ggf. euren Durchzug zu Hause und schließt Türen, bevor sich unbemerkt eine neue öffnet und ihr diese Chance verpasst ;)


13 Ansichten1 Kommentar

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1 Yorum


ankewolfundco
ankewolfundco
11 Tem

Dieser Berg in der Landschaft-Wahnsinn! 😁

Beğen
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