top of page
einjahrblau

Tag 197: Unsere kleine Farm - zu Gast bei lieben Menschen

Aktualisiert: 9. März 2023

Nachts hatten wir mal zwei Züge gehört, aber wir waren so müde, dass uns das kaum gestört hatte. Der Wecker klingelte 7:15 Uhr. Wir hatten vor einer sehr sauberen Toilette geparkt, konnten uns waschen, aßen Frühstück und gut eine Stunde später, als alles am wackelfesten Ort verstaut war, rollten wir los. Warum die Eile?

Wer meinem häufigen Rat folgt, jeden Beitrag zu lesen und in der richtigen Reihenfolge, der weiß als schlauer Kopf, dass wir am Little Blue Lake von zwei netten jungen Männern auf ihre Farm (Nähe Mount Gambier) eingeladen worden sind. Und da rollten wir nun hin um pünktlich 12:15 Uhr anzukommen.

Unterwegs sahen wir drei Kängurus friedlich im Gras neben uns - das ist schon ein schönerer Anblick als zermatscht am Straßenrand. Kurz darauf, auf der anderen Straßenseite, spannte sich ein Regenbogen von links nach rechts. Ich liebe Regenbögen. Weinfelder erstreckten sich bis zum Horizont. Wirklich überall wuchsen Weinreben um uns herum.

Als wir ankamen begrüßte uns James (24) schon fröhlich in der offenen Tür und rief uns zu, wir kamen genau richtig. Sein Bruder Mark (25) und sein Vater versuchten gerade eine giftige Schlange einzufangen. Na das war ja genau das richtige für mich. Ich suchte die Flucht ins Innere des Hauses und erfuhr dort, dass die Schlange ihnen entwischt sei. Das wurde ja immer besser :D Wir wurden, wie schon häufiger, zu unserer großen Freude aufgenommen und begrüßt wie alte Freunde, bekamen erstmal ein Getränk und nach kurzem Vorstellen beim Vater und erzählen, was die letzten Tage so los war, ging es auch schon los. Wir hüpften alle fünf in den Truck und dann fuhren wir auf die Weiden und bekamen alles gezeigt und erklärt. Natürlich sind wir keine Großstadtkids, die noch nie eine Kuh gesehen haben, aber das war schon etwas Besonderes und sehr informativ. Eric kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus, wie interessant das alles war. Und er hatte Recht. Zuerst sahen wir ein an einer Krankheit verendetes Kalb. Von ihm hatten sie ein bisschen Fell um ein Zwillingskalb gebunden, welches von seiner Mutter kaum beachtet wurde und nun von der Mamakuh des verstorbenen Kalbs durch den Geruch als eigenes angesehen werden würde. So könnte es die Milch trinken und überleben. Das Annähern läuft langsam an. Dann fuhren wir auf die Weide mit den trächtigen Kühen. Mit 12 Hektar, so erklärten sie, seien sie eine kleine Farm und nehmen sich gern mehr Zeit für ihre Tiere als das andere Grossfarmer machen würden. Eine Kuh hatte sich schon von der Gruppe abgesondert und das ist wohl ein Merkmal dafür, dass die Geburt bald bevorstand. Nach dem Check, dass alles okay war, ging es zu den Sorgenkindern. Auf Grund eines in der Wiese lebenden Käfers waren viele Kälbchen erkrankt, hatten Fieber und Durchfall. Diese Woche könnte das Glück auf ihrer Seite stehen, da die Temperaturen runtergekühlt waren. Es war wohl eine besondere Situation, da es selten so viele (gleichzeitig) betrifft und sonst viel weniger los sei. Extra für uns sozusagen ;) Es galt nun die Kälber der Mütter, beide trugen die selbe Nummer, im Gras zu finden und je nach Zustand gab es ein Medikament und Elektrolyte. Jedes Mal half man den Kälbern auf die Beine, in der Hoffnung sie laufen selbstständig ans Euter trinken. Einige waren echt schlappi, andere schon auf dem aufsteigenden Ast.

Zwischendurch roch es nach Lavendel und Pfefferminz auf der Wiese, eine nette Abwechslung zum Durchfallgeruch der Kleinen.

Auf der nächsten Weide standen die größeren und gesünderen Kälber mit ihren Müttern und den zwei Schweizer Bullen sagten wir auch hallo. Der eine wartete schon so begierig auf seine nächste Dame, dass er einen Graben entlang des Zaunes gelaufen hat :D Ca. 130 Kühe hatten sie. Danach sahen wir auch die ca. 3000 Schafe. Also einen Teil davon und die Maschinen, wo sie geschoren werden. Wir durften verschiedene Wollen fühlen und Videos anschauen, wie schnell so ein Tier von Profis geschoren wurde. Am Ende fuhren wir noch zum Cousin die Pferde anschauen. Zurück im Haus aßen wir ein paar Chips und quatschten über alles mögliche. Ich bin ja sehr aufgeschlossen und schnatterig (haha, was für eine Untertreibung) aber auch Eric kam ins Plaudern, als es ums Klettern, seinen Job und Autos ging. Wir wurden nach unseren Reisen gefragt, die Geschichte Deutschlands war mal Thema, da es für andere Kulturen natürlich interessant ist über die Ost-West-Trennung zu reden und auch der Ukraine-Krieg wurde thematisiert. Dafür fragten wir nach wie das mit der Kultur der Aborigines sei und erfuhren nun auch, warum letztens die toten Tiere mit Spray markiert waren. Das bedeutet, dass sie bereits gecheckt wurden, ob ein lebendes Baby im Beutel war was man noch retten könnte. Da jeder anhalten und kontrollieren würde, besprüht es derjenige, der ein Spray dabei und nachgesehen hat, damit andere wissen, dass sie nicht mehr nachsehen müssen. Schlau. Sie erzählten auch, dass Wallabies und Kängurus hier eher eine Plage seien.


Zwischendurch kam die Mutter heim, die eine therapeutische Praxis führte, ähnlich wie die etwas entfernter wohnende Tochter. Wir fuhren zu einer weiteren Kontrollrunde los, etwa 3h später als zuvor und plötzlich war da ein neues Kalb. So schnell gehts. Die aufgepäppelten Kälbchen bekamen nun Milch statt Elektrolyte eingeflößt und immer wurden die Nummern aufgeschrieben, welches Kälbchen fitter wurde, wer was am nächsten Tag brauche und dass es allen zunehmend besser ging, freute die drei Männer sichtlich. Ich durfte auch einmal ein Kalb mit aufrichten und beim Füttern halten - die bringen selbst schlapp ganz schon Gewicht auf die Waage. Die zweite Runde war schneller und im Haus wurde bereits Abendessen gekocht; wir wurden eingeladen mit zu essen und es war super lecker! Es gab Kürbis, Möhren, Erbsen, Kroketten und ganz zartes Rind aus der eigenen Zucht. Es war wirklich köstlich. Dazu ein alkoholfreies Erdbeer-Limetten Cider für mich und ein australisches Bier für Eric. Ebenfalls köstlich! Als ein kurzes Tischgebet gesprochen wurde, bekam Eric das gar nicht mit und schaufelte sich in aller Ruhe Soße auf seinen Teller, aber dann aßen wir alle gemeinsam und es blieb Gott sei Dank unbemerkt/ unkommentiert :D


Es wurde weiter geschnattert, alle redeten durcheinander, jeder versuchte jedem zu folgen, ein Atlas wurde hinzugezogen. Irgendwann brachen wir sogar noch kurz vor neun zur dritten Runde auf und da war plötzlich ein noch feuchtes ganz frisches Kalb, die Plazenta hing noch aus der Mamakuh. So schnell gehts wieder. Das war schon richtig toll mal mitzuerleben. Und da sich keine weitere zurückgezogen hatte und nichts auf Komplikationen hinwies, mussten sie diese Nacht auch nicht nochmal raus.

Der Vater machte uns aber vor, wie sie zur Lämmer-Zeit Füchse jagen. Dies sind keine einheimischen Tiere und erlegen gern mal 10 Lämmer pro Nacht. Deshalb werden ca.50 über einen Zeitraum von gut anderthalb Monaten erschossen und er imitierte ein Hasengeräusch um sie anzulocken. Und tatsächlich konnten wir im Licht des Scheinwerfers sehen wie ihre leuchtenden Augen näher kamen.


Zurück am Haus wurde uns noch angeboten Vegemite zu probieren; die Aussies lieben das wohl auf Toast, aber wir wurden gewarnt, wie salzig es sei. Salz war nicht das Problem der schwarzen Paste, sondern der Geschmack. Eric und ich verzogen quasi gleichzeitig das Gesicht und die vier lachten und meinten, das hätte ein tolles Foto abgegeben. Da ich wohl so aussah, als spucke ich gleich auf den Boden, wurde uns schnell ein Glas Wasser hingehalten und ich spülte meine Zunge. Gott, war das ekelhaft! Wie konnte man so was zum Frühstück essen? Igitt, mich schüttelte es richtig, aber Kostproben gehören tapfer zum Reisen dazu.


Es war nun richtig dunkel, verabschiedeten wir uns alle mit Umarmungen, tauschten Kontakte aus, bedankten uns überschwänglich und bekamen versichert, jederzeit gern wieder als Gäste begrüßt zu werden. Wenn es doch nur nicht so weit wäre…aber James wird im Juni/Juli auf Europareise gehen, vielleicht schaffen wir es dann uns nochmal zu treffen. Wir konnten als Dank nichts dalassen außer das Versprechen, dass sie jederzeit auch gern in Dresden zu Besuch aufgenommen werden. Wir bekamen sogar noch sechs frische Eier von den farmeigenen Hühnern in die Hand gedrückt.


Es war ein wirklich perfekter Tag gewesen und es ist unbezahlbar so hinter die Kulissen blicken zu dürfen :) Vielen Dank dafür! Jetzt weiß ich auch endlich, dass die in Folie eingewickelten Heuballen keine Umweltsünde sind (Plastik…) sondern geschützt eingepackte fermentierte, proteinreiche Nahrung, die nicht austrocknen darf.


Wir fuhren 20min auf den Parkplatz des Little Blue Lake, da durfte man angeblich über Nacht stehen und von da wollten wir morgen früh aufbrechen.

48 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page