Am Morgen erwachten wir recht früh, zögerten das Frühstück aber noch hinaus. Dann gab es Porridge mit Banane, Apfel und Schoki sowie einen Coca-Tee, da wir heute auf über 3.000m hoch hinaus wollen. Während wir aßen, schrieben wir mit Paul und unterhielten uns mit einer jungen Studentin aus Montréal um nochmal Ideen auszutauschen. Letztendlich warfen wir alle geschmiedeten Pläne über Bord und änderten gar die Reiserichtung.
Was wir skippen, also auslassen, sind aber für euch dennoch Tipps - auch von unserer lieben Schweizerin Monica, die wir in Chile kennengelernt hatten und die Kolumbien acht Wochen bereiste, auch, weil ihre Tochter an der deutschen Schule in Bogotá unterrichtet und hier seit einigen Jahren lebt:
die Salzkathedrale Zipaquirá (eigentlich Kirche) ca. 2h nördlich von Bogotá (wir hatten einfach nicht so das Interesse und uns aus Zeit- und Budgetgründen gegen dieses touristische Highlight entschieden)
die Tatacoa-Wüste…man fährt viel länger hin, als man sich dort aufhält und auch wenn die rötlichen Felsformationen eine Reise wert sein sollen, warnten uns wiederum andere, dass es ein sehr kleines Gebiet sei und wir enttäuscht sein könnten nachdem wir in den USA den Zion und Bryce Canyon besichtigt hatten
Calí, diese für ihre Salsa-Vibes bekannte Stadt verschreckte Eric eben genau deshalb: Salsa. Tanzen :D
Der südwestlich gelegene Insel-Nationalpark Gorgona, denn er ist einfach wahnsinnig abgelegen und in fünf Wochen schaffen wir einfach nicht alles, wollen auch nicht nur in Bussen sitzen
Río Guape Canyon und seine Felsschluchten: da wäre Wasser-Action möglich, aber die mehrtägigen Touren kosten hunderte €, es ist mega abgelegen
Der Caño Cristales, der fünf Farben Fluss, der sich durch Algen unterschiedlich einfärbt; ebenfalls viel zu weit abgelegen - schade, aber die Vernunft siegte, jeder setzt seine Prios anders
Außerdem galt es - mal wieder - Reiserouten auszutüfteln und Flüge mit Bussen zu vergleichen. Zeit ist Geld, wir müssen gut wählen. Die nächsten Tage waren nun endlich entschieden, der morgige Bus + Hostel für zwei Nächte gebucht und während ich mich in unsere Weltreise-Zeit zurückversetzt fühlte (schließlich hatten wir vorher gewusst worauf wir uns einlassen), musste Eric sich noch ein wenig in die z.T.lästige Planerei einfitzen. Spätestens auf dem Rückflug, vollgepackt mit neuen Eindrücken, werden wir diesen Einsatz zu schätzen wissen ;)
Nun war es kurz vor 10 Uhr, der Couchsurfer mit dem ich geschrieben hatte, musste nun noch seinen Geburtstag vorbereiten und hatte doch keine Zeit, also nahmen wir ein Taxi zum Hausberg quasi zu unseren Füßen, den Cerro de Monserrate (auf 3.152m).
Es dauerte eine kleine Weile, bis ein Taxifahrer unsere Anfrage annahm.
Wir nutzten die Apps:
cabify
InDrive (laut Hostel die beste für Kolumbien)
Redbus (für die Busse)
Uber geht wohl auch
Manche stornierten wieder, weil es hier ein Gewirr aus Einbahnstraßen war. Letztendlich holte uns ein runzliger älterer, sehr fröhlicher Mann ab, der irgendwas über deutschen Fußball erzählte (was sonst) und plötzlich voller Begeisterung den Hitlergruß zeigte. Wir schrien sofort kopfschüttelnd "No! No! Prohibido!"und erklärten, dass dies verboten und gar nicht gern gesehen sei. Er setzte uns dann vorm Eingang der Seilbahn ab.
Aus Zeitgründen, ja so viel Gemütlichkeit musste am Tag 2 sein, kauften wir Tickets für die Hoch- und Runterfahrt und liefen nicht den wohl sehr hübschen, vielstufigen Weg den Berg hinauf. Auf dem Monserrate bot sich uns ein Anblick auf die 8 Millionen Stadt und wir fühlten uns nach Kathmandu zurückversetzt. Nichts als Häusergewirr, umschlossen von Bergketten. Gegenüber die bunt getünchten Häuser der favelas.
Wir sind hier auf dem dritten und dicksten sowie höchsten Arm der Anden. Die Bergketten setzen weitestgehend natürliche Grenzen für weiteres Ausufern der Stadt. Aber der Mensch wird auch das noch zu zerstören wissen.
Wir waren umgeben von einer Blütenpracht und meinten Kolibris zumindest zu hören, bekamen aber keine zu Gesicht. Natürlich gab es hier auch zig Souvenir- und Essensbuden, bei denen es uns schier den Magen umdrehte. Bisher aßen wir hier recht wenig. Vielleicht lag es auch an der Höhe oder überhaupt an der neuen Umgebung.
Wir fuhren wieder runter und nutzten schnell das Wifi um ein Taxi via App zu rufen, da man so nicht abgezockt (oder gar gekidnappt) werden konnte. Noch hatte ich Hoffnung, dass wir es pünktlich zu Bogotá Bike Tours schafften.
Sie bieten täglich 10 und 13:30 Uhr Fahrradtouren an
Voranmeldung ist nicht nötig
Kosten: derzeit 60.000 COP (ca. 14€) + Trinkgeld wer will
Bogotá ist angeblich eine Fahrradstadt…bitte nicht mit Amsterdam oder Kopenhagen vergleichen, ihr lest gleich warum
Sonntags, also morgen (da reisen wir aber bereits weiter) werden zahlreiche Straßen für Autofahrer gesperrt, in Deutschland undenkbar! Man denke nur an den jüngst missglückten Fahrradspur-Versuch in Dresden…
Auch die Seilbahn sowie Museen sind Sonntags preiswerter oder kostenfrei, aber deshalb auch wesentlich überlaufener!
Das Glück war uns hold meine Lieben; wir konnten es selbst kaum glauben. Eine Minute vor Beginn kamen wir vor der Ladentür an, schrieben uns noch schnell ein, lernten Noemi aus Wien kennen, die in ihrem Körbchen meine Jacke verstaute, denn es waren nicht für alle Körbe da. Wir drei waren mit den beiden Guides die einzigen, die einen Helm trugen, die anderen sechs nahmen das Risiko eines zerschellenden Schädels in Kauf.
Die Räder waren unglaublich unbequem: der Sattel zu schmal und steinhart, der Lenker zu tief und zu breit, eine insgesamt etwas wacklige Angelegenheit, mit der wir nun 14km durch die Stadt fuhren.
Da wir es nicht, wie geplant, nochmal ins Hostel geschafft hatten, hatten wir auch kein Wasser dabei und fieberten mit ausgetrockneten Kehlen dem ersten Stopp entgegen. Wir merkten schnell: die angepriesenen Fahrradspuren gab es nur auf den großen Hauptstraßen, rote Ampeln, Einbahnstraßen, hupende Kraftfahrer: scheißegal.
Ab durch die Mitte.
Unsere Begeisterung schwand rasch, alle versuchten dem Guide lebend zu folgen, da er auch nie richtungsweisend die Hand raushielt. Die vier Amerikaner fuhren scheinbar sehr selten Fahrrad, denn die eierten was zusammen, dass wir schnell lernten Abstand zu halten. Ich freute mich mit Noemi zu plaudern und quatschend fuhren wir nebeneinander, wenn es der Verkehr hergab. Unser Guide hielt immer mal abrupt an um etwas über den Platz, eine erste Schule, einem deutschen und englischen Viertel oder zur Geschichte Bogotás zu erklären. Aber nicht nur sein starker und abgehakter Akzent erschwerten es uns ihm zu folgen, auch die Nebengeräusche vom Verkehr, Baustellen oder Lautsprechern übertönten spielend leicht seine recht leise Stimme. Das drohten vier lange Stunden zu werden. Ein indischer und ein weiterer amerikanischer Teilnehmer hatten nach ihren Blicken zu urteilen schon längst abgeschaltet.
Der nächste, erste richtige Stopp, versprach Flüssigkeitszufuhr. Der Obstmarkt: eine ranzige Halle, in der viele Stände leer waren, es Fisch, Eis auch zwei Obststände gab. Bei einem bildeten wir brav einen Halbkreis und unser Guide versprach uns, dass wir von den zehn Früchten mindestens fünf nicht kennen werden. Nach unseren Asienreisen waren wir skeptisch, aber er sollte Recht behalten. Es waren Früchte dabei, die nur in der Region um Bogotá wuchsen, Kreuzungen, die man aus anderen herangezogen hatte und die saftigste Avocado und größte Maracuja unseres Lebens. Es war lecker, zog sich aber ganz schön in die Länge. Aber immerhin bekamen wir hier drei kleine Wasserflaschen. Dann ging es in leichtem Regen weiter. Alle folgten wieder wie brave Schäfchen, tapfer dem Tod trotzend. Im Vorbeifahren fotografieren wir Graffiti, nickten mal hier, mal da und erreichten irgendwann den Kaffeestop im Viertel Santa Fé. Na dann: Salud.
Der Anblick, der sich uns von außen bot, verschreckte stark, aber innen betraten wir im Hinterraum eine kleine Rösterei, hörten einem langwierigen Kaffeebohnenvortrag zu, bis wir Bohnen probierten und uns wieder im Gastraum niederließen um ein heiteres Getränk zu schlürfen. Natürlich deutsche Ingenieurskunst, wie schon damals in Costa Rica ;) Die Röstmaschine kam aus Essen. Eric probierte die Spezialität Kaffee mit Kardamom, ich eine viel zu süße heiße Schoki. Erics Fazit: Joah, ist halt Kaffee mit Kardamom. Nun wisst ihr es auch.
Wir kamen alle ins Plaudern, es lockerte immerhin die Atmosphäre, aber wir saßen eine kleine Ewigkeit bis wir weiterfuhren und uns einen bunten Kindergarten anschauten, der eine Hommage an einen berühmten (uns unbekannten) Schriftsteller war. Ah ja. Dann hatte unser Guide einen Nagel im Reifen und es wurde schnell der Reifen gewechselt. Wir erfuhren (und das beeindruckte schon sehr), dass er fast 525 Tage mit dem Fahrrad durch Lateinamerika gefahren war. Wow! Das wäre mal so gar nicht unser Ding. Die letzten 10 Minuten forderten nochmal alles: wir fuhren an einem Park mit einer Zeltstadt vorbei und durch eine stark besuchte Geschäftsmeile. Sich hier in der nun einsetzenden Dämmerung durchzuwinden und die Gruppe nicht zu verlieren, war dezenter Stress. Heil angekommen, erwartete uns die letzte Station. Das von indigenen Stämmen überlieferte „tujo“ Spiel, bei dem man eigentlich Alkohol trinkt und dann mit Eisenscheiben (?) auf Schießpulverblättchen schießt. Wer trifft, lässt es knallen und alle jubeln. Unserem Guide gelang es und in der zweiten Runde nur Noemi - was ich Gott sei Dank per Kamera festgehalten habe :D
Da alle Trinkgeld gaben, fühlten wir uns vor aller Augen auch genötigt, müssen aber unser Vorgehen diesbezüglich zukünftig überdenken ;)
Wir fragten die vier Amerikaner, ob sie noch zusammen essen gehen wollten; Noemi musste leider schon los. Sie schlugen vor gegenüber in einem wirklich gemütlich Irish Pub ein Bier zu trinken. Ich nahm als einzige ein Cider, aber ohne Essen, nach der Tour auf der Höhe fühlten wir uns als hätten wir mindestens dreimal so viel getrunken. Es wurde aufgeregt geplaudert, unser Englisch gelobt und wir seine die am weit gereisten Leute, die sie je getroffen hatten. Mensch, so viel Schmeichelei.
Preiswert war es nicht, eher europäisches Niveau und als sie in ihr 25min entferntes Air B´n`B fuhren, drückten wir uns alle nochmal und wir seien ja so ein harmonisches Paar (haha, wissen wir doch :P). Dann liefen wir um die Ecke in das Restaurant „El Gato Gris“, was sie uns empfohlen hatten, nachdem sie es empfohlen bekommen hatten. Es war gemütlich, eine zweiköpfige Liveband spielte neben uns, aber wir blickten völlig entsetzt auf die Preise. Was war das denn für ein Touri-Schuppen? Wir entschieden uns für das untere Preisniveau, ich probierte nun diese kolumbianische Suppe mit Hühnchen, Reis, Avocado und Mais, Eric bestellte leckere Curry-Sesam-Bällchen, dazu Wasser. Der Kellner lobte mein Spanisch, dabei hatte ich außer wortkarge Antworten nur noch um tres minutos, drei Minuten gebeten :D Als dann die Rechnung kam, war das, was wir als Trinkgeld geben wollten, plötzlich so eine Art Serviceaufschlag wie in Italien. Wir schütteten unsere kleine Münzen dazu und seinem Gesicht nach zu urteilen, war es nicht gerade viel Trinkgeld, aber wir werden da nie wieder speisen. Müde, aber nun satt stapften wir ins Hostel zurück, duschten, stellten den Wecker auf um sechs und kuschelten uns in das riesige Bett.
Sehr witzig geschrieben! Ich habe mich köstlich amüsiert über eure Fahrradtour. 😆