Wir hatten recht gut geschlafen, aber ja, zugegeben hätte es etwas mehr Sauerstoff sein können. Ein reichhaltiges Frühstück bekamen wir draußen am langen Tisch serviert und ohne Stress packten wir, dann versammelten wir uns nacheinander an den Motorrädern. Es dauerte immer ein wenig alles zu verstauen, die Protektoren anzulegen und abfahrbereit zu sein, aber irgendwann waren alle so weit und wir verließen den Ort durch enge Straßen. Die heutige Fahrtstrecke war wirklich schön und Eric haute raus, er liebte die kurvenreichen Straßen und legte sich mit Anmut und Schwung hinein, streckte sogar seine Füße mit aus. Herrlich! Vielleicht wird er ja zurück in Deutschland doch noch seinen Führerschein machen ^^
Egal wo wir lang fuhren, wir sahen viele Kinder mit den immer gleichen Apple Rucksäcken. Vielleicht hat der riesige Konzern mal in die Dörfer Schulranzen gespendet? Auch wenn das in meinen Augen Greenwashing gleich käme (siehe: https://educalingo.com/de/dic-de/greenwashing/amp), half es den Kindern scheinbar sehr und wir sahen sie mit roten oder blauen Applikationen. Trauriger wurde dann nach einer schwungvollen Serpentinen-Straße der erste längere Stopp des Tages.
Wir hielten, wie viele weitere Gruppen auch, auf einer Art Plateau und staunten zunächst über das gelbe Blumenmeer auf das wir blickten. Bis wir durchschauten, was es war. Hier wurden v.a.kleine Mädchen, aber auch Jungen und alte Leute hübsch angezogen, mit bunter Strickkleidung und Pailletten gekleidet (manche spielten ein Instrument) den Touristen als Fotomotiv dargeboten und dafür trugen sie, meist auf dem Rücken, Körbe mit Blumen. Wir kauften hier also keine Blumen um unsere Bikes zu schmücken (mein erster Gedanke) sondern konnten für Fotos mit fremden, schüchternen Kindern zahlen. Mir stieg die Galle hoch und als unser Ende 20-jähriger Guide, der selbst zwei Söhne hatte, uns für ein Gruppenfoto zusammenrief, weigerten sich Johanna, Eli, Eric und ich. Das war uns definitiv zuwider und auch wenn die anderen unserem Gefühl zustimmten, lächelten sie doch brav mit den „Blumenmädchen von Ha Giang“ in die Kamera. Wir haben später einen ähnlichen warnend-schockierenden Artikel gefunden, der unsere Gefühle widerspiegelt und uns bestätigt.
Ich kann es gar nicht in Worte fassen, wie abscheulich das ist und ich war bemüht keine Gesichter zu fotografieren, weil ich kein aufgesetztes Lächeln aufnehmen wollte. Die eine Kleine auf dem Foto soll euch zeigen, wie gequält und unglücklich sie eigentlich aussehen, das Foto hat Joe aufgenommen. Sie bekam von einem Mann einen Geldschein in die Hand gedrückt und wie die kleine Maus da mit dem Geld herumstand und gar nicht wusste, wohin damit, das ließ uns traurig und fassungslos den Kopf schütteln.
Eric zog sich dann auch zurück und genoss die Aussicht ins Tal ohne dieses abscheuliche Schauspiel. Ich habe hinterher in meiner Bewertung den Veranstalter gebeten hier nicht mehr anzuhalten oder vorher darauf hinzuweisen, damit man Stifte o.ä.einpacken kann. Diese Kinder gehen statt in die Schule hier arbeiten und es kam in meinen Augen der Prostitution gleich: sie wurden hübsch angezogen, sollten lächeln und jeder, selbst die ekligsten Männer zogen sie heran um sich mit ihnen fotografieren zu lassen. Das ist doch abartig!
Wir waren dermaßen erleichtert, als es weiterging…die nächsten zwei Stopps waren da für den Tourismus doch schon besser geeignet. Wir hielten am nördlichsten Punkt Vietnams in Lung Cu und sahen kurz zuvor nur wenige Meter entfernt die Grenze zu China. Das war schon verrückt so nah dran zu sein. Gleichzeitig kam hier auch einer der besten Straßen, die wir während der vier Tage fahren sollten und wir konnten mal Gas geben :)
Danach ging es noch besser weiter und unsere Körper freuten sich auf etwas mehr Bewegung. Wir hielten am Skypath, der wohl vor wenigen Jahren nur ein schmaler Pfad, jetzt aber breit und sicher ausgebaut worden war. Wir vertraten uns die Beine, hatten eine Stunde Zeit und sahen wie Einheimische Beton für ein Haus mischten und ältere Damen, die, einem Foto lächelnd nickend zustimmten, Gräser nach unten trugen. Sie waren selbst mit der schweren Last auf dem Rücken schneller als wir…Oben angekommen, stieg ich Eric und ein paar anderen Felsen bis zu einem Hügel mit einem atemberaubenden 360 Grad Panorama hinterher. Danach erfuhren wir, dass unser Guide Kevin hinzugekommen ist, weil hier mal einer abgestürzt ist und sie deshalb keinen mehr allein hochlassen dürfen. Es kam auch zu einer unschönen Szene zwischen Ziva und einem unbekannten Idioten. Sie bat ihn zu warten, bis wir unten waren, wies ihn zweimal darauf hin, er lief einfach weiter, was gefährlich war und als sie ihn leicht am Arm festhielt, meinte er es gebe keinen Grund ihn anzufassen. Wie im Kindergarten. Ich half einem jungen Mädchen von einem zum anderen Felsen; manche sollten es eben lassen. Sie waren von der Gruppe der "befeindeten Gelbhelme". Ein anderes Hostel, die fuhren wir Scheisse, lärmten rum und gingen uns richtig auf den Keks!
Wieder erfrischt fuhren wir weiter und genossen kurz darauf die Aussicht auf den Fluss in einen Canyon, den wir morgen besuchen werden und es stand ein spannendes Stück Fahrt bevor. Nicht nur die Kurven und die Nähe zum Abgrund forderten ihre Aufmerksamkeit, nein, hier war gerade eine Baustelle und wir hupten uns auf der einspurigen Fahrbahn bis zum Ende durch. Hier fährt ja jeder wie er will, Ampeln gibt es keine. Ein frecher Busfahrer wurde nur davon abgehalten sich an allen vorbeizudrängen indem ein anderer Fahrer seine Tür aufgemacht hat - die der Bus sonst mitgerissen hätte. An dieser Stelle nutzten wir dann mal kurzzeitig die GoPro auf meinem Helm, aber unglücklicherweise war sie nachts nicht ausgegangen und die Akkus fast leer. Richtig blöder Zeitpunkt! Die anderen haben uns aber Videos geschickt, die ihr in der Dropbox findet :) Nochmal vielen Dank, beim Selberfahren konnten wir nicht so viel aufnehmen und fotografieren wie die Easy Rider.
Wir schlängelten uns heute mit Begeisterung durch die Landschaft und über den Ma Pi Leng Pass und waren uns alle einig: der Tag war richtig geil gewesen, wir hatten jetzt auch einfach den Dreh raus. Ich muss aber schon sagen, dass ich froh war nicht das größte Motorrad genommen zu haben, denn wir merkten, als wir uns da hintereinander die Kurven hochschlängelten, dass ich mit meinem Bike einen größeren Radius und eine höhere Geschwindigkeit brauchte. Noch schwerer/ größer hätte es dann in einer Gruppe keinen Spaß gemacht, da wir meist zwischen 30-40km/h fuhren und ich etwas mehr abbremsen musste um nicht aus der Kurve zu fliegen.
Lokale Vollverpflegung ist ja mit inbegriffen und als wir pünktlich gegen 17 Uhr im Homestay in Meo Vac (kleine Änderung zur gestrigen Karte) ankamen, mussten wir gar nicht so lange warten. Ich sicherte Eric und mir zwischenzeitlich das Bett in der Ecke, welches einzeln stand - die jungen Mädels und die Single-Damen können getrost nebeneinander schlafen ;) Dies war definitiv das härteste Bett, quasi ein Brett, in dem wir je geschlafen hatten und das hielt man nur aus, wenn man so knülle war wie wir. Vor dem Essen duschten wir noch und Eric & ich spielten dann mit einem Vietnamesen eine Runde Billard. Vor allem die männliche Bevölkerung liebt dieses Spiel hier abgöttisch, gefühlt in jeder Unterkunft gab es einen Billardtisch. Und man staune, das hatte ich auch noch nicht gewusst: Eric spielte heute zum ersten Mal in seinem Leben Billard! Und das gar nicht mal schlecht, auch wenn unser Gegner herzlich über unser „Können“ lachen musste.
Diesmal waren viele Gruppen über Nacht hier, an die 100 Leute; dementsprechend laut war das gemeinsame Anstoßen mit dem „happy water“ im Speiseraum. Heute trank ich sogar tapfer zweimal mit. Das Essen war super, danach setzten wir uns draußen im Garten auf einen Tee/ Bier zusammen. Aber irgendwie wurde meine Haut heute immer dünner, so fühle ich mich selten. Aber nach monatelangem zu zweit reisen war mir dieser Tumult am Abend und das sinnlose Gesaufe echt zu viel. Entschuldigt, aber ich bin eben kein 18 mehr, komme auch nicht aus Großbritannien, war eine von denen, die selber fuhr und kam mir ein bisschen vor wie am Ballermann. In solchen Momenten sehne ich mich nach meinen eigenen Freunden, mit denen ich viel lieber feiern und beisammen sein möchte :) Deshalb zog ich mich in unser Zimmer zurück und skypte mit meinem Papa :) Wir plauderten ein bisschen, ich wurde auf den neusten Stand gesetzt und genoss die friedliche Stille - wobei natürlich die Musik zu mir drang und unter unserem Balkon wurde gerade das Flötenspielen gelernt. Als die Musik lauter war, ging ich nochmal zurück in die Masse, fand Eric und gemeinsam schautenwir der Darbietung zu (siehe Dropbox). Erst wurde auf vietnamesisch gerappt, dann getanzt, dann ein Instrument gespielt und ich sag euch ganz ehrlich: das war viel zu Schade um vor so einer betrunkenen Meute aufgeführt zu werden. Kurz bevor das Feuer entzündet wurde und alle wie die Wilden drum rum hüpften, ging ich wieder zurück. Ich muss auch sagen, dass wir zwar das Essen immer lecker finden, aber unsere europäischen Mägen hatten schon ein wenig zu kämpfen, wenn ich das mal so sagen darf. Eric und ich sind ja eh empfindlich und das viele fremde Essen stellte uns vor eine neue Herausforderung. Buscopan half eigentlich immer ;)
Übrigens ein urheberrechtlicher Hinweis an dieser Stelle: einige der Fotos & Videos haben uns dankenswerterweise Charlotte&Ben Winter sowie Joanne Richards (Joe) zur Verfügung gestellt, weil sie alle mit easy rider fuhren; alle drei kommen aus England :)
Na, ihr Weltenbummler. Ihr seid nicht satt zu kriegen (mit Essen schon, sieht immer verführerisch lecker aus). Eure Unternehmungen sind immer wieder spannend zu lesen, wenngleich ich tatsächlich froh bin, euch nach der Motorrad-Tour wieder wohlbehalten zurück zu wissen. Die Kulisse der Berge mit all den Straßen, Flussläufen und Reisfeldern ist unwahrscheinlich beeindruckend. Und eure Begegnungen ebenso. Ich bleibe neugierig 🧐 und meine Kollegin Conny ebenso. Grüßel und Drückerchen von der Mu. 😘