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einjahrblau

Tag 232: die schlimmste Motorradfahrt meines Lebens auf den wohl härtesten Straßen Vietnams

Aktualisiert: 22. Apr. 2023

Früh knirschten alle Knochen von diesen unbarmherzig harten Matratzen und wir tapsten nacheinander zum Frühstück, wo wir uns etwas aussuchen konnten (Suppe, Omelett usw.) und wir waren sehr froh über unsere Guides, die sich gestern recht früh zurückgezogen hatten, denn viele andere, vor allem die der „gelben Helme“ des Jasmine Hostels waren völlig verkatert. Das ist mega unvernünftig und fahrlässig, aber nun gut.

Heute trennten wir uns von der Hälfte der Gruppe (Neill&Joanne, Johanna&Eli, India&ihre Freundin + deren vier Guides), denn sie hatten nur die drei-Tagestour gebucht (auch wenn sie es jetzt bereuten). Wir winkten ihnen hinterher und wünschten allen eine gute Fahrt, dann sattelten auch wir auf. Drei fuhren mit Easy Ridern, wir waren also noch zu neunt.


Für das erste Ziel mussten wir uns die Wege runter in den Canyon schlängeln, das war nicht unbedingt meine Lieblingsstrecke :D Umso erleichterter war ich als wir endlich unten angekommen waren und in einen kleinen offenen E-Bus stiegen, der uns zu den Booten fuhr. Und dort, sieh an, hing sogar ein offizielles Schild, dass man bitte kein Geld an Kinder, Frauen und alte Leute geben soll, da die sich dann veranlasst sehen Schule und Arbeit aufzugeben um hier herumzulungern. Warum es dann gestern okay gewesen war die „Blumenmädchen von Ha Giang“ zu besuchen, erschloss sich uns nun noch weniger. Wir hatten von unserem Guide erfahren, dass viele Kinder nach zwei Jahren aus der Schule genommen wurden, weil sie zu Haus gebraucht wurden: auf dem Feld, im Geschäft, für die Tiere oder die Geschwister. Das ist so traurig.

Vor den Booten konnte man sich bunte, hübsch geschmückte Kleider ausleihen um sozusagen die Urlaubsfotos aufzuhübschen. Wir beobachteten viele asiatische Touristinnen wie sie sich Kleider aussuchten und durchprobierten - wir hätten da alle sowieso nicht reingepasst und die Fotos waren trotzdem schön :D

Mir hatten vorher eh viele gesagt wie günstig ich in Asien shoppen gehen kann, aber sind wir doch mal ehrlich: meine Figur ist nun bei Weitem nicht zu vergleichen mit der durchschnittlich zierlichen einer Asiatin. Ich würde jeden Ladeninhaber in Verlegenheit bringen wenn ich um meine Größe bitten würde :D Außerdem möchte ich ungern viele der gefälschten Markensachen unterstützen.

Wir genossen also die kurze Bootsfahrt und wurden immerhin von den verpflichtenden Schwimmwesten geschmückt, beobachteten Kinder bei der Feldarbeit und hofften sie rutschten nicht den Hang hinab. Hier half die ganze Familie, die größeren Kinder passten auf die kleinsten auf. Ab und an wurden die Ziege vorangetrieben, hier ticken die Uhren eben noch anders. Und dann mussten wir uns den ganzen Berg auf den engen Serpentinen wieder nach oben kämpfen - selbstverständlich hupte ich mir dabei die Kurven frei :D Das gab immerhin ein sicheres Gefühl.


Wir bogen in eine enge Seitenstraße ab und Kevin meinte, ab jetzt müssen wir besonders vorsichtig fahren und wir warfen uns alle verstohlene Blicke zu. Ja die Pisten wurden rauer, der Asphalt bzw. Beton seltener. Dann bekamen wir plötzlich Plastikhosen und -jacken und ich befürchtete das schlimmste: anscheinend stand uns Regen bevor. Mit einem unguten Gefühl stülpten wir den Zweiteiler über und zu meiner Freude sahen wir alle aus wie leuchtende Schlümpfe! Alle hatten blau bekommen - übrigens waren wir die einzige Gruppe mit Schutzanzügen - es wäre ja auch nicht auszudenken, wenn ich plötzlich ganz in pink oder gelb hier rumsausen müsste. Aber mit Rumsausen war es jetzt eh vorbei und es war auch kein Regen- sondern ein Staub- und Spritzschutz. Uns standen einige Stunden Schotterpiste bevor, denn hier war der Straßenbau noch im vollen Gange. Wir mussten aufpassen, dass wir nicht im falschen Winkel über die steinigen Wege fuhren oder die Kurven zu schnell oder zu eng nahmen und ich war hochkonzentriert (und ich denke auch alle anderen). Eric schlug sich auch tapfer, schließlich fuhr er in seinem Leben erst den 4.Tag! Solche Wege würde ich in Deutschland niemals fahren, es würde mir im Traum nicht einfallen - hier hatten wir keine andere Wahl. Es sollte noch schlimmer werden, denn plötzlich mussten wir über Steinbrocken drüber und das ging nur langsam voran, schön im zweiten Gang. Wieder mal ein "Gelbhelm", wer hätte das gedacht, überholte mich (wie immer viel zu dicht, ohne Vorwarnung, aus unerfindlichen Gründen, hochgefährlich, unvernünftig, ohne Sicherheitsabstand), blieb dann genau vor mir stecken und meine Maschine verreckte. Ich kochte vor Wut, da einer dieser Idioten gestern Eric in der Einfahrt schon hochgradig gefährlich den Weg abgeschnitten hatte. Die haben nämlich nie eine Sicherheitseinweisung bekommen und Hirnmasse schien auch Mangelware zu sein. Wir kämpften uns jedenfalls Meter für Meter wackelig vorwärts, auf die Landschaft um uns herum achteten weder Eva, Eric noch ich, aber das schlimmste Stück stand uns erst noch bevor! Du meine Güte! In 20m Abstand zueinander, das fing ja schon mal gut an, sollten wir bergab mitten an Lkws vom Straßenbau durch Sand und Schlamm fahren. Die Lkw-Fahrer konnten wir noch so sehr anhupen, die machten keinen Millimeter Platz. Mit meiner schwereren Maschine wurde das ein Abenteuer und ich kam so manches Mal ins Schlittern; auch Eric hatte zu kämpfen und strudelte, vor allem als wir auf der roten, sandigen Piste mit unseren Reifen eintauchten. Da verliert man fast jegliche Kontrolle und mir perlte der Schweiß über die Stirn; in den Schutzanzügen fühlten wir uns wie in der Sauna. Es war schrecklich :D


Als wir tatsächlich lebend im nächsten Ort ankamen, aßen wir auf den Schreck erstmal alle ein Eis. Außer Eric, der wollte seinen Magen schonen, denn ja, zugegeben waren wir beide noch nicht ganz auf der Höhe...Puuh. Das war geschafft, wir sahen alle so aus wie wir uns fühlten. Dieser Streckenabschnitt verdiente definitiv den Ausdruck: Höllenritt. Keine Ahnung wie wir das im Regen überlebt hätten. Da hätte ich mich wohl verweigert :D

Die Bilder sehen so harmlos aus, ihr hättet dabei sein müssen. Denn es ist schwer diese Fahrt, diesen Tag in Worte zu fassen :)

Nachdem wir diesen herausfordernden Part gemeistert hatten, fuhren wir durch die Landschaft, hielten regelmäßig für Aussichten & Fotos sowie Kaffee & Cola an und ich hoffe die Bilder schaffen es euch zumindest einen kleinen Eindruck zu vermitteln. Auf den Videos in der Dropbox bekommt ihr Einblicke in die Fahrtstrecken :)

Eine Aussicht war ganz besonders hübsch, da wir von einem kleinen Felsen aus, auf dem auch noch zwei flauschige Welpen herumsprangen, ein herrliches Panorama auf die Bergkette und ins Tal genießen konnten. Das war dann schon recht nah an der letzten Unterkunft, die wir uns Gott sei Dank mit nur einer anderen kleinen, sympathischen Gruppe teilten. Da wir aber zuerst ankamen, hatten wir sechs den Pool ganz für uns allein, hopsten hinein und freuten uns.

Es tat so gut! Und es sah so herrlich aus mit den Bergen im Hintergrund. Auch der Schlafsaal war richtig schön: zu zweit hatten wir eine Kabine mit Ausblick auf Reisfelder, Vorhang und genug Platz für die Rucksäcke. Diesen Homestay mit ganz viel Bambus gab es wohl erst seit Kurzem und auch das Essen war das beste bisher auf der Route.

Heute wurde mein Gläschen ständig mit „happy water“ aufgefüllt und wir stießen permanent laut miteinander an und unsere Guides erzählten ein bisschen von ihrer Familien. Der jüngste mit dem Strafticket ist schon mit den anderen zurück; die Firma würde ihm wohl aushelfen.

Wir probierten uns nochmal im Billard, schwatzten, ich saß auf der Hollywood-Schaukel mit Bambus und sah Eric dabei zu, wie er mit einem kleinen Jungen spielte (jaja, von wegen „Ich kann nicht mit Kindern.“ - Dreamteam sag ich euch) und dann, sicher auf Grund des „happy waters“ sangen wir doch tatsächlich zu sechst Karaoke mitten im Innenhof. Die Intention war aber auch die beiden Vorsängerinnen mit ihrem Gejaule zu stoppen und mit einer der beiden sang ich dann sogar noch ein Duett. Es gibt auch ein Video, das bezeugt wie wir YMCA tanzen & singen, ich sehe irgendwie unkoordiniert aus, weil ich immer noch das Mikro in der Hand habe. Das Video bleibt erstmal unter Verschluss :D Aber es war lustig und ein schöner Abend und es gab genug Rückzugsmöglichkeiten. Leider auch genug Mücken, sodass wir erstmal „Mücken-Klatschen“ in unserer Schlafecke spielten.


Tipp: Auf dem Ha Giang Loop mindestens die vier-Tage-Tour buchen!


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