Wir wachten alle ziemlich gerädert auf, denn uns saß zum Einen noch die Fahrt in den Knochen, zum Anderen war es diese Nacht sehr schwül gewesen. Wir hatten auf meine Bitte hin die gleichen Betten wie in der ersten Nacht bekommen, aber irgendwie war die Klimaanlage anders eingestellt. Wir packten noch den Rest ein und dann bekamen wir vier ein zeitiges Frühstück bestehend aus Obst und einem warmen kleinen Baguette ohne alles (ich hatte gestern Abend darum gebeten). Die anderen beiden stießen auch hinzu und 7:30 Uhr brachte uns ein kleines Auto zu unserem Minibus. Rein zufällig fuhren wir alle sechs weiter nach Sapa in die nordwestlichen Berge - letztendlich haben hier viele Reisende ähnliche Routen, weil man sich ja die Highlights rauspickt.
Der Kleinbus war auf jeden Fall ein deutlicher Abstieg und hatte schon so einige Blessuren & Alterserscheinungen vorzuweisen. Wie die letzten Fahrten auch, hielten wir permanent an um Dinge zu be- als auch zu entladen; sogar ein Moped wurde in den Gepäckraum verfrachten und neben uns standen dann Barhocker. Aber für eine Pipi-Pause hielten wir erst nach 4h an! Wir dachten alle wir würden platzen und gingen dann sogar widerstrebend auf diese in den Boden eingelassenen Toiletten. Schöner dagegen waren hier lebende Kinder, die z.T.eifrig mit Notizbuch, manche auch ohne, ihr Englisch mit uns üben wollten und Fragen stellten und dann auch selbst Antworten formulierten. Richtig gut!
Auf der nächsten Fahrtstrecke sah ich dörferweise aufgeschichtete Holzplatten, sicher zum Trocknen. Sie standen überall und leider sprach keiner der Busfahrer Englisch, sodass ich vermutete, dass es Dachschindeln sein könnten. Aber was es eigentlich war, weiß ich nicht.
Am nächsten Halt (ich denke die arbeiten hier alle zusammen) gab es frische Mangostreifen und kleine, warme Teigtaschen mit Kastanienmus gefüllt. Die waren lecker! Die sollte es hier viel öfter zum Frühstück geben.
Endlich, nach gut 7h Fahrt in Sapa angekommen, drückten sich die Trekkingguides und Taxifahrer schon die Nasen an den Scheiben platt, als wir noch nicht mal zum Stehen gekommen waren. Als wir Ausstiegen, umschwärmten sie uns wie Fliegen, alle redeten durcheinander und Ben bat sie mit britischer Höflichkeit uns ein wenig Abstand zu gewähren. Da unser Hostel etwas außerhalb auf einem Hügel lag, teilten wir uns mit Eva ein Taxi. Die anderen drei hatten Privazimmer in verschiedenen Hotels gebucht.
Im Hostel angekommen, bekamen wir zusammen mit Eva ein 16er Zimmer - wir hatten das günstigste gebucht. Leider waren nur noch weniger Betten übrig, sodass Eric und ich das Doppelstockbett an der Tür unter dem Lüfter hatten. Tja, man kann nicht immer Glück haben, aber wird schon gehen für zwei Nächte. Eva lag in dem Bett unten neben mir und mit all unseren Decken und Tüchern hing ich Evas und mein Bett kuschelig zu, denn hier gab es nicht mal Vorhänge um wenigstens ein bisschen Privatsphäre zu schaffen.
Eric und ich wollten eigentlich den angebrochenen Tag nutzen und schon eine kleine Unternehmung starten, aber die letzte Gondel war vor einer halben Stunde abgefahren und so durchstöberten wir im Gemeinschaftsregal verschiedene Reiseführer, ich schrieb und wir vertrieben uns entspannt die Zeit bis wir mit Eva kleine Gassen runter ins Zentrum liefen. Dort brauchten wir einen Moment um Ziva zu finden und gemeinsam zogen wir los. Erst das dritte Restaurant konnte uns alle zufrieden stellen und es war wirklich lecker. Allerdings wurden wir von einem Kind bedient und auch abkassiert und im Folgenden stellten wir noch fest, wie groß hier das Problem mit der Kinderarbeit war. Zunächst einmal waren wir völlig erschlagen aber auch hingerissen von all den Lichterketten und Lampen - Energiesparen schien hier noch kein Thema zu sein. Es kam einer Lichtverschmutzung gleich und jeder wollte mit noch mehr Lichtern um Aufmerksamkeit kämpfen, wie auf einem schrillen Weihnachtsmarkt. Das war schon gewöhnungsbedürftig. Hier gab es nun überall diese kleinen Kastanientaschen und wir kauften nochmal welche als Nachtisch - hier waren sie auch preiswerter.
Ziva verabschiedete sich nach dem Essen, wir drei gingen noch in eine Rooftop-Bar. Wir zahlten hier ein wenig mehr, aber genossen bei einem kleinen Cocktail mit DJ im Hintergrund die Aussicht auf das Lichtermeer. Wir erfuhren, dass in den letzten Jahren der Ort einen gewaltigen Wandel auf Grund zunehmender Anzahl von Touristen erfahren hatte. Dass das nicht immer gut war, sah man hier. In den Straßen wurde man ständig angesprochen ob man nicht dies oder jenes kaufen wollte, sie ließen einen nicht mal schauen und alles war nur sinnloser Ramsch, überall gab es das gleiche. Ganz schlimm war es aber, dass vor allem viele kleine Kinder in bunter, traditioneller (?) Kleidung Anhänger u.a. verkaufen mussten. Es war nun bald 22:30 Uhr, ein Mädchen weinte, sicher vor Müdigkeit und bekam eine Ohrfeige. Leider gab es zu viele Touristen, die aus Mitleid bei den Kindern kauften oder einfach, weil sie es niedlich fanden und dann werden sie nie die Schule besuchen. Es war schlimm. Wir sahen zwar einmal eine Art Kontrolleurin, die mit einer Trillerpfeife die Frauen ermahnte und wegschickte, aber dann ja sogleich weiter zur nächsten fuhr. Es war sicher ein Anfang, aber längst nicht genug. Und wenn der Tourismus weiter boomt und wir haben gesehen, was viele für ein Foto tun, dann wird das hier noch schlimmer werden.
Jeder schweigend in Gedanken vertieft, trabten wir zurück ins Hostel. Jedes Licht wirft seine Schatten, alles verliert an Glanz, wenn man genauer hinsieht. Die Welt könnte so schön sein, der Mensch ist es jedoch nicht. Die Gier siegt eben über alles, aber Gott sei Dank lenkten uns kleine niedliche Welpen im Hostel ab und brachten uns auf andere Gedanken. Wir drei knuddelten sie was das Zeug hielt und gingen dann ins Bett.
Comments