top of page
einjahrblau

Tag 277: Mount Manaslu Circuit - neunter Tag: Passüberschreitung

Aktualisiert: 22. Mai 2023

  • von Larke Pedi (4.460m) über Larke Pass (5.106m) nach Bimthang (3.590m)

  • ca. 16km Wegstrecke

  • ca. 800 Höhenmeter aufgestiegen

  • ca. 1.670 Höhenmeter abgestiegen

  • Zeit: ~12h (inkl.Pausen & Fotos machen)


Oh Gott. Der Tag vor dem wir uns gefürchtet hatten, stand an. Nun war es so weit. Da in diesem kleinen Raum die Luft knapp geworden war und es dadurch auf 4.400 Höhenmeter noch schwieriger wurde zu atmen, waren wir schon eher wach. Leider waren auch meine Magenschmerzen noch da. Wir standen also kurz nach 3 Uhr auf und zogen uns noch wärmer an, packten den Rest (wie die Schlafsäcke) leise ein und gingen nach draußen. Noch immer war alles neblig, man sah nicht mal das Toilettenhäuschen. Wir schlichen mit Stirnlampen umher, Urken hatte noch eine für mich, da meine neue ja auch eins der Reiseopfer geworden war und der Ersatz nach Deutschland geschickt worden ist - wo sie mir herzlich wenig nützte.

Wir aßen Haferschleim mit Honig zum Frühstück und das war um die Zeit schon sehr widerlich. Dazu gabs Tee und ich hing erschöpft auf der Bank. Gegen vier Uhr morgens, vielleicht ein paar Minuten danach, stiefelten wir los. Bergauf, in einer Nebelwand. Eingepackt wie die Yetis, in Wollsocken, Thermounterwäsche und den neuen fetten Daunenjacken. Willkommen in meinen Albträumen ^^


Ich kam nur schleppend voran, mein Magen krampfte und ich war richtig genervt, da ich nicht wusste, was es war. Schritt für Schritt kämpften wir uns nach oben, es wurde angenehmer als es langsam heller wurde. Aber wieder musste ich öfter in die Knie gehen und hatte das Gefühl mich übergeben zu müssen, aber es wollte nicht raus. Ich keuchte und hielt mir den Bauch, Eric strich mir über den Rücken und schlug vor umzudrehen. Aber nun waren wir schon so weit gekommen! Immer mehr Leute überholten uns, Konni kam von hinten als ich grad vornüber gebeugt auf meinen Wanderstöcken gestützt litt und rief: „Du schaffst das!“, aber da war ich mir nicht so sicher. Ihr Guide fragte ob wir okay seien und ob ich laufen konnte, ein anderer kam und meinte wenn es geht sollen wir immer weiter laufen, das wäre für den Magen besser und wir müssten das Zeitfenster erwischen um sicher (ohne Sturm) durch den Pass zu kommen. Wir wussten sie meinten es nett und unser Urken stand auch nur als Zierde schweigend neben uns. Aber in dem Moment wusste ich nicht mal wie ich es überhaupt bis nach oben schaffen sollte und ich hatte nicht mal Gewicht auf dem Rücken.


Wir kämpften uns weiter und wenn es nicht mehr ging, ließ ich mich auf einen Stein plumpsen. Die gewaltige Natur um uns herum, die schneebedeckten Berge, der 8.000er, der Mount Manaslu: das alles konnten wir gar nicht richtig genießen. Tränen der Freude oder Ehrfurcht löste der Anblick bei mir nicht aus, wie es bei einer Kollegin vor Jahren geschehen ist.

Bei Eric setzten dann wieder die Kopfschmerzen ein und wurden mit gefühlt jedem Schritt nach oben schlimmer. Ich konnte das kaum mit ansehen. Man sah Eric die Schmerzen an und er begann sich immer mal wieder in den Schnee abzusenken und ging in die Knie. Er hielt sich den Kopf, er packte Schnee zum Kühlen auf den Hinterkopf, aber ich sah wie er litt. Mir brach das Herz (erneut); ich hatte ihn noch nie in einem so schlechten Zustand gesehen und man konnte das auch nicht steuern. Es ist genetisch bedingt wie gut bzw. schlecht der Körper mit solchen Höhen zurecht kam. So hoch waren wir vorher noch nie gewesen.


Ich fragte Urken, ob wir einen Heli rufen können; Eric musste hier dringend runter. Die Versicherungssumme hatten wir vorher extra geprüft. Und der Chef von 14summits hatte immer wieder betont, es gelte safety first (Sicherheit geht vor).

Aber keiner - das musste man sich mal vorstellen! - der Guides hatte ein Satellitentelefon dabei. Das durfte nicht wahr sein. Urken beharrte nach wie vor darauf, dass es besser sei fortzufahren, schnell den Pass zu überqueren und hinten abzusteigen, um Höhe zu verlieren statt umzudrehen. Ich, wir mussten ihm glauben, denn er ist diese Strecke schon sieben Mal gelaufen. Als Eric kaum noch gerade gehen konnte, der Schnee erschwerte die Schritte auch noch zusätzlich, schnappte sich Urken auch noch seinen Rucksack. Wir hingen hier beide wie Falschgeld rum und uns war das richtig unangenehm, aber Leute, ganz ehrlich. Wenn es einem so schlecht geht und man gar nicht mehr weiß wo oben und unten ist und dann noch in einer so rauen Landschaft, dann nimmt man widerstandslos alle Hilfe an, die man kriegen kann. Es war sicher schon ein Fehler gewesen überhaupt loszulaufen, weil wir ja bereits Kopf-/Magenschmerzen gehabt hatten.


Urken versicherte immer wieder er hätte schon schwerer getragen und er käme hier ja allein locker in zwei Stunden durch. Und normalerweise sei der Pass überhaupt kein Problem. Er bat einen anderen Guide seinen kleinen Rucksack zu nehmen und wies auf uns, wie wir da krank rumhingen. Wir liefen ein paar Meter, aber dann schnauzte uns dieser Guide eines deutschen jungen Paares von der Seite an, dass wir hätten einen Träger zahlen müssen. Seine Kunden haben auch keinen gewollt. Das haben wir nun alle davon. Ich erklärte ihm kraftlos, dass genau das der Plan gewesen sei in Samdo und er wetterte, dass wenn wir wirklich einen hätten buchen wollen, wir jetzt auch einen hätten. Ich wurde richtig sauer, erklärte wie es abgelaufen war, dass Urken abgewinkt hätte und der, der stand schweigend neben mir und sagte natürlich nichts. Nachdem sie vorher auf nepalesisch über einen Träger gesprochen hatten. Ich sagte dem Guide, dass es ihn gar nichts angehe und er mir einfach den Rucksack geben solle und weiterziehen soll. Der ließ aber den Rucksack nicht los und meine Wut stabilisierte die Kräfte in mir und ich schnappte mir wutentbrannt meinen Rucksack, den schwersten von allen. Ab jetzt war ich noch langsamer, noch schneller außer Atem, aber das ging ja wohl gar nicht! Eric tat es Leid, mir tat Eric Leid, der dämliche Guide beobachtete uns und ließ dann Urkens kleinen Rucksack auf einem Stein liegen.


Wir erreichten irgendwann den höchsten und anstrengendsten Punkt unserer Weltreise, den Larke Pass auf 5.106m.

Dies ist der längste Pass in Nepal (bitte nicht mit einem Gipfel verwechseln). Die Sonne schien, die bunten Wimpel wehten im Wind, so wie wir es uns vorgestellt hatten. Aber Eric musste hier schnellstens weg, er sprach schon kaum noch und meinte er sehe nicht mehr scharf. Nach wie vor hielt es Urken für besser weiterzulaufen statt zurückzugehen. Jetzt hatte er aber eingesehen, dass es sich wohl um die Höhenkrankheit handelte und keine Lebensmittelunverträglichkeit war und wir hatten Eric noch eine halbe Diamox gegeben. Wir schossen noch ganz schnell ein paar Fotos, denn hier würden wir nie wieder sein, aber man sah Eric die Schmerzen an.

Mittlerweile waren auch die Amerikaner zu uns gestoßen, Daniel war ebenfalls noch immer krank. Und ihr Guide Babu signalisierte unserem, dass wir weiter müssten, dass Eric schnellstens absteigen müsste. Ich sorgte dafür, dass wir Sonnencreme in unser Gesicht schmierten - eigentlich schon viel zu spät.

Wir schleppten uns voran, aber jetzt wurde ich nochmal sauer. Es ging noch gar nicht bergab sondern nochmal rauf und runter und ich hatte wirklich Angst um Eric. Wir hatten vorher von Ödemen gelesen, die sich bilden konnten und überhaupt, wenn er wirklich umfiele, würden wir ihn nie hier runterkriegen. Ich strich ihm immer wieder über den Rücken, half ihm auf und sagte immer wieder: „Du schaffst das!“, „Weiter so! Wir haben es bald geschafft!“, „Du bist so tapfer!“ und dann ging es endlich bergab. Wer jetzt erleichtert aufatmen will, kann das gleich wieder bleiben lassen.


In Kathmandu im Hostel hatte Eric von einem Australier, der nun wieder zurückflog, je zwei Gamaschen (Schneeschutz für die Waden) und Grödel bekommen, so eine Art Steigeisen für eisige Partien. Quasi Schneeketten für die Wanderschuhe. Und unser Guide hatte uns versichert, die bräuchten wir nicht, die könnten wir im Hostel lassen und uns das Gewicht sparen. Und nun standen wir hier. Scheinbar die einzige Gruppe Volltrottel, die keine dabei hatte und schlitterten den Hang hinab. Um uns herum war Nebel, das Wetter trauerte mit uns. Gott sei Dank ist Eric erfahrener und nicht zum ersten Mal auf einem schneebedeckten Berg. Er stapfte mit letzter Kraft rechts von mir durch den tiefen Schnee. Wo er die noch hernahm, war mir ein Rätsel und es tat mir so Leid, dass es nochmal so anstrengend war. Ich schlitterte auf dem schmalen Weg entlang, setzte vorsichtig ein Schritt vor den anderen und ließ den Abhang links von mir nicht aus den Augen. Einmal rutschte mein linker Fuß weg, aber ich konnte mich noch halten. Dann wurde der Schnee so tief, dass ich immer mal mit einem Bein tief einsank. Eric war anders abgestiegen und schon unten, Urken sah nicht so aus als wisse er wo lang. Wir hatten nun alle nasse, eiskalte Füße. Es kostete Kraft sich jedes Mal wieder aus einem Schneeloch hochzuziehen und dann sank ich mit meinem linken Bein hüfttief ein. Urken zog an mir und ich sank noch tiefer, mein Fuß steckte fest. Ich schrie nach Eric, denn in unseren Guide hatte ich das Vertrauen verloren. Eric kam sofort auf mich zu, ich zog und keuchte, ich atmete panisch bis ich frei war und stapfte in seine Arme. Ich war völlig fertig und wir fragten uns warum wir sinnloserweise einer solchen Gefahr ausgesetzt wurden. Ich musste mich kurz setzen. Die Amerikaner und ihre Guides kämpften mit uns, aber sie hatten Grödel und staunten, wie wir es ohne schafften - uns blieb ja keine andere Wahl.

Aber es sollte noch steiler kommen, diesmal waren eisige Stellen zu umgehen und Felsbrocken lagen überall herum. Urken schnappte sich gegen meine Proteste nochmal meinen Rucksack, Eric trug seinen ab hier selbst. Trotz meiner neuen Schuhe und der noch frischen Sohlen rutschte ich immer wieder aus, landete schmerzhaft auf dem Hintern und musste mich wieder vorsichtig aufrappeln. Ich schlug Urkens Hilfe aus, da er selbst ständig wegrutschte. Ich fokussierte nur noch Eric und schaute wo er mir den Weg wies. Wieder rutschte ich weg und schlitterte auf dem Bauch nach unten. Ich schrie, denn man gewann hier richtig an Fahrt, aber nicht an Halt und Eric griff mich an der Jacke und hielt mich fest. Was taten wir hier?! Meine Güte…


Irgendwann, wir glaubten es selbst kaum, kamen wir nach einer halben Ewigkeit auf einem Schotterweg und sahen Wellblechhütten in einiger Entfernung. Wir trotteten über die Steine, die nassen Socken patschten in den Schuhen und ich musste mich nochmal über einen Stein legen, denn mein Magen krampfte - nun sicher auch vor Anstrengung. Erics Kopfschmerzen ließen geringfügig nach und kurz bevor der Hagel einsetzte, erreichten wir eine Hütte, wo die anderen vier schon saßen. Ich musste Eric immer wieder sagen er solle aus den nassen Socken raus - er war genauso fix und fertig. Ich hatte Gott sei Dank noch ein trockenes Paar Schuhe. Wir waren alle völlig erschöpft (außer unser Guide natürlich…), bestellten heißen Tee und teilten uns Spaghetti. Von all unseren Snacks (Schokoriegel, Kekse, Nüsse) hatten wir unterwegs gar nichts angerührt. Wir gaben Daniel und Bill Ibuprofen. Sie waren ebenfalls immer wieder geschlittert und der 69-jährige Bill hatte wohl zum ersten Mal auf der Tour Angst gehabt. Wir hatten ja nun alle gewusst, dass uns hier niemand rettet, sollte uns was passieren, sollten wir uns Knochen brechen o.ä.

Wir hingen da ein Weilchen rum, aber im Gastraum war es kalt und dann mobilisierten wir alle Kräfte um weiterzugehen. Wir „wollten“ noch ein Stück absteigen und liefen ca. 1,5-2h ins hübsche Dorf Bimthang. Wie immer waren wir die letzten, die das Ziel erreichten. Es ging nochmal schön über Stock und über Stein und wir legten regelmäßig Pausen ein. Wir sahen das Dorf langsam näher kommen und verfolgten mit den Augen, wo die Amerikaner unterkämen. Urken wählte gelbe Hütten aus, aber als uns ausgerechnet dieser aggressive Guide den Schlüssel übergab, sagte ich Urken, dass ich keine Nacht mit diesem Mann unter einem Dach speise und schlafen werde und wir bitte weiterziehen. Er verstand es sogar sofort und sagte auch was auf nepalesisch zu dem Mann. Wir drehten uns um und gingen zu Milka-lilafarbenen Hütten. Konni jubelte uns von hinten zu: „Ihr habt es geschafft!“ und wir grinsten müde zurück. Daniel & Bill waren schon da, ich hatte ihnen die Story mit dem Träger/ Guide zum Abendbrot versprochen. Wir zogen in unsere eiskalte Hütte und ließen uns völlig ko und erleichtert hier zu sein aufs Bett fallen.

Wifi gab es hier keins, aber eine heiße Dusche. Also das Wasser war heiß, aber man konnte das Fenster nicht schließen, sodass der Raum an sich (mit Toilettenbecken im Boden) eiskalt war. Man musste sich also beeilen.

Dann bestellten wir Mo:Mos (Dumplings) und einen Apple Pie. Eric mochte ihn nicht so, aber mehr gab es hier nicht womit wir diesen Tag hätten feiern können. Alkohol auf der Höhe und bei der Erschöpfung wäre unser völliges Knockout gewesen.

Unsere Gesichter glühten. Unsere Hände, also die Haut, rochen verbrannt. Das war definitiv zu viel Sonne gewesen. Daniel war so lieb uns eine kleine Nivea Creme zu schenken, die wir fett auftrugen.

Wir plauderten ein wenig und zogen uns dann ganz warm an. Wir baten um eine zweite Decke, drückten uns, beglückwünschten uns zu unserer Heldentat und schworen vorm Einschlafen, dass wir so etwas nie wieder tun werden. Die zweite Trekkingtour (Mardi Himal) war gestrichen!

Eric sagte immer wieder: "Starke Maus!" Und ich sagte: "Tapferer, starker Hase."

70 Ansichten8 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

8 Comments


Jacqueline Kellner
Jacqueline Kellner
May 22, 2023

Die Landschaft ist einfach atemberaubend schön.😍Die Bilder sind der Wahnsinn.

Dass die Guides kein Satelliten Telefon dabei hatten ist unfassbar.😱

Ich bin auch sehr erleichtert und froh, dass ihr das überstanden habt.


Like
einjahrblau
May 23, 2023
Replying to

💖

Like

Danielle Lund
May 21, 2023

Da kannst du jeden Tatort dagegen vergessen. Ich hab echt Tränen vergossen. Ihr seid einfach Wahnsinn und ich bin mehr als froh, dass ihr das überstanden habt.

Like
einjahrblau
May 22, 2023
Replying to

💕

Like

susannjacqueline.kellner
May 21, 2023

Die Landschaft ist grandios , alles andere ein wahrer Alptraum .

Like
einjahrblau
May 21, 2023
Replying to

Nein, unser Zusammenhalt ist super 😍 und wir hatten Glück keinen Sturm, sondern Sonne zu haben 🤭

Like

rike82
May 21, 2023

Oh du heilige Scheiße!

Mein liebes Frollein, Strandurlaub hätte es doch auch getan 😜

Like
einjahrblau
May 21, 2023
Replying to

Du sagst es…hinterher sind wir auch schlauer und dorthin fliegen wir auch als nächstes wieder. Strand, Sonne, Wärme :D

Like
bottom of page