Heute waren wir schon etwas fitter, allerdings hatten wir ganz schön Muskelkater in den Waden. Wir trödelten nicht so sehr rum, sondern packten und gingen frühstücken. Danach zahlten wir, die Rechnung war wie immer wirr, zogen uns an und stiefelten los - nun zum vorerst letzten Mal.
Ungefähr eine Stunde ging es noch bergab bis nach Tilche. Leider wurde auch hier der “Straßenbau” vorangetrieben und alles war staubig, dreckig. Im Dorf sah man dann schon, dass wir der Zivilisation näher kamen. Es hingen Werbeschilder rum, noch mehr Müll verstopfte die Straßen, es war nicht mehr ganz so urig.
Wir überquerten eine Hängebrücke und waren am Jeep angekommen, der uns ca. 3h bis nach Besisahar bringen würde. (wir brauchten am Ende gute 4h.)
Das Gefährt sah sehr klapprig aus. Unsere Rucksäcke kamen hinten auf die Ladefläche und wurden richtig dreckig, wir setzten uns auf die Rückbank, Urken nach vorn. Aber mit dem Fahrer stiegen noch zwei seiner Kumpels zu uns ein und es wurde richtig eng. Noch beneideten wir unseren Sherpa, der vorn Platz hatte. Noch…
In gefühlt halsbrecherischem Tempo sausten wir nah am Abgrund entlang. Die waren doch verrückt! Jetzt waren wir nicht während der Passüberquerung gestorben, nun würde DAS unser Ende sein?! Oh Gott…überall lagen Steinbrocken herum, das Wort Schlagloch war die Untertreibung des Jahrhunderts und wir wurden kräftig durchgeschüttelt. Wir klammerten uns aneinander, ab und an entfuhr mir ein erschrockenes oder schmerzhaftes „Oh!“. Wir hupten Esel, Ziegen und Menschen aus dem Weg, überquerten eine instabil wirkende Brücke, wichen Lastern aus und warteten bis uns ein Bagger Steine aus dem Weg räumte. Diese abenteuerliche Fahrt war die Hölle und wir stellten fest: wir hatten uns zu früh gefreut. Es war noch gar nicht überstanden. Plötzlich blieben wir stehen und unser junger Fahrer freute sich. Wir luden eine junge Frau und ihren kleinen Sohn sowie dessen Oma ein - irgendwelche Verwandte des Fahrers. Die quetschten sich nun alle mit in den Fahrerraum und schon beneideten wir unseren Schurken nicht mehr. Ihm erstarb das Lächeln, er klang nicht sehr erfreut und er rückte nur ungern so nah zusammen. Das konnte ja ein Spaß werden!
Ich lade euch noch Videos in die Dropbox hoch, versprochen ;)
Wir wurden weiter durchgeschaukelt, hielten nochmal für irgendeinen permit an (wir vermuten, man muss zeigen, dass man im Zeitrahmen geblieben ist) und wir nutzten die Pause für einen Toilettengang. Das hielt man in dem Auto ja nicht aus.
Umso weiter wir fuhren, umso mehr Kopfschmerzen bekam ich, denn das Geruckel hörte einfach nicht auf. Wir sahen sogar einen Wolf (!) über die Straße laufen und im Gebüsch verschwinden. Zwischendurch diskutierte unser junger Fahrer mit einer aufgebrachten Frau, die wohl auch noch mitfahren wollte, aber es war einfach kein Platz. Sie ließ nicht locker, aber da war nichts zu machen.
Dann hielten wir an einem wunderschönen Wasserfall und da wir lange keinen so starken mehr gesehen hatten, erfreuten wir uns daran. Die Freude erstarb allerdings als ich das mit traurigste der Welt ansehen musste - ich war wirklich kurz vorm Heulen. Da stand ein Laster und vorn wurde ein kleines Äffchen mit Reis gefüttert. Ich dachte noch, naja die locken den Kleinen mit Essen an, was ja schon schlimm genug ist. Aber nein. Der war mit einem Gurt und einem Strick festgebunden und als sie losfuhren, hing er da vorn dran, kletterte hoch und hielt sich - Gott es war so traurig! - an den Scheibenwischern fest und blickte nach innen. Wie widerlich kann die Menschheit sein? Die sind doch hier alle ach so ehrfürchtig und gläubig. Jedem einzelnen wünsche ich schlechtes Karma und die Reinkarnation als schäbige Kakerlake oder Eintagsfliege. Hier auf diesen staubigen Pisten, die sie Straßen nannten, kriegt der Kleine doch Steine und Staub ab. Das war echt unglaublich…die Welt wäre besser dran ohne uns, ich sag’s euch :(
Wir schwiegen und ignorierten Urken, der sich immer mal umdrehte. Der schaffte es echt, gemeinsam mit der jungen Frau, bei dem Durchgeschüttel einzuschlafen. Unfassbar. Wir konnten dann unser Glück kaum fassen, als wir tatsächlich aus diesem „Jeep“ ausstiegen, zurück in der Zivilisation waren und Mittagessen gingen. Wir bestellten Burger mit Pommes und Gott sei Dank hatte uns Urken falsch verstanden und nur einen bestellt. Der war nämlich vegetarisch und nicht sehr lecker. Urken wollte mit uns anstoßen und wir teilten uns ein Bier. Unsere Gesichter glühten ja so schon vom Sonnenbrand. Natürlich zahlten wir das Bier, ein Danke kam nicht.
Mit unserem Urken war so eine Sache…er hatte so ein offenes fröhliches Lachen. Ein ganz echtes. Und wir waren hin und hergerissen. Wir hatten schon einen Tag mehr auf der Rechnung. Das hatte er nicht mal bemerkt. Und wir werden ihm unser Equipment für seine eigene Firma da lassen. Nun überlegten, wie viel wir ihm noch an Trinkgeld gaben, weil das so üblich war. Der Busfahrer würde uns gleich abholen. Urken fuhr nach Kathmandu, wir nach Pokhara, ins Zentrum Nepals. Und dann, als wir gerade die Rucksäcke schulterten, dem Busfahrer folgen und uns bei Urken verabschieden wollten, da haute er wieder einen raus.
Ob wir ihn denn doch bar bezahlen können? Jetzt? Wir fielen aus allen Wolken, hatten wir doch die GANZE Zeit gesagt, dass wir kaum Bargeld hätten. Und hatten wir doch im Büro vorab geklärt, dass wir nach einer getätigten Baranzahlung überweisen würden. Unterwegs hatten wir auch immer wieder gesagt, dass wir mit dem schlechten Wifi nichts unternehmen konnten und er hatte immer abgewunken. Geld sei jetzt unwichtig, es gelte uns sicher über den Pass zu bringen. Sie hätten uns die Üverweisungsdaten ja auch einfach eher schicken können. Und nun bat er um wenigstens 10.000 (ungerechnet knapp 70€) und hatte Glück, dass wir noch so viel hatten, da wir extrem gehaushaltet hatten. Wir waren selbst überrascht.
Der Busfahrer stand vor uns und tippte auf die Uhr. Urken sprach kurz auf ihn ein und fragte dann ob wir es jetzt überweisen können. Das durfte doch nicht wahr sein! Wir waren stunden-, tagelang zusammen und das fiel ihm JETZT ein? Ich sagte ihm, dass er das ruhig hätte eher sagen können und wir den Bus erwischen mussten. Eric tippte wie wild die Nummern ein, die wir von 14summits bekommen hatten, da hielt Urken seine hin und meinte wir können es ja auch gleich ihm überweisen. Ich winkte ab, so war es die ganze Zeit ausgemacht, wir brauchten schließlich eine IBAN und nicht irgendeine Nummer. Die hatten doch auch unsere Daten zur Sicherheit. Also das war wieder so eine Nummer und wir sendeten ihm schnell die Screenshots der Belege. Und dann?
Dann war der Busfahrer weg! Wir waren ja hier keine Privatkunden und wurden immer nur in die Billigbusse gestopft. Wir saßen da rum, er tat ganz verwundert und sie versuchten den Busfahrer zu erreichen. Wir wurden mit einem TukTuk die Straße vorgebracht, Urken auf dem Moped mitgenommen und dann sollten wir uns mitsamt der riesigen Rucksäcke in diesen kleinen, alten Bus quetschen. Alle warteten nur auf uns und es war kein schönes Ende, da wir nicht mal richtig Abschied nehmen konnten. Urken schaute nur nochmal durchs Fenster, daran war er jetzt selbst Schuld. Nettigkeit allein hilft da jetzt nicht. Und zack fuhren wir davon, winkten und hatten einen bitteren Geschmack im Mund. Das war ja mal richtig blöd gelaufen. Kommunikation ist alles. Und Organisation ist auch nicht verkehrt.
Hier saßen wir nun eingeklemmt zwischen Nepalesen, keiner sprach Englisch, einige sollten mal dringend Zähne putzen, manche packten ihren Reis mit Soße aus, sodass der ganze Bus stank, die neben mir knutschten die ganze Zeit. Ja…der wilde Ritt ging weiter. Erics Rucksack hing halb auf meinem Schoß, meiner stand davor in einer Lücke. Hatten wir das Fenster auf, kam Staub reinG hatten wir es zu, wurde es stickig. Mal hörte hier einer Musik, mal telefonierte da einer, mal schaute jemand ein kurzes Video. Herrlich. Zwischendurch stiegen welche aus und ich setzte mich kurz um, aber bald wurde der Bus noch über die verfügbaren Plätze vollgestopft. Wir sprangen bei Huckeln hier hinten in die Luft, mein Hintern krachte auf Metall (Gott sei Dank war er gut gepolstert), Gurte gab es keine.
Der Wind wurde stärker, noch mehr Dreckpartikel wirbelten durch die Luft, wir zogen unsere Halstücher vor Mund und Nase und waren über und über mit einem feinen roten Sand bedeckt. Und Dreck. Dann platschte der Regen los und die Straßen verwandelten sich in lehmige Bäche; wir kamen zum Stehen. Vor uns und hinter uns reihten sich die Autos. Vielleicht gab es einen Unfall. Es goss in Strömen. Neben uns hämmerte der Bagger fleißig weiter. Wir standen gut 45min bevor wir weiterrollten.
Die angebliche 3,5 stündige Fahrt dauerte wesentlich länger, wir verloren das Zeitgefühl. Aber 6h waren es bestimmt und man glaubt es kaum, wie beim Wandern, wenn man dann tatsächlich sein Ziel erreicht. Wir bekamen das Zeichen, dass dies der letzte Stop sei und wurden natürlich von Taxi-Fahrern umringt, aber ich sagte allen, ich brauche kein Taxi sondern eine Banane, was verwunderte Blicke auslöste. Ha! Wohl mal eine neue Antwort, was? Ich stiefelte an ihnen vorbei und kaufte zwei Bananen. Endlich wieder Obst :)
Eric wollte über die App inDrive ein Taxi bestellen, das hatte uns das Hostel empfohlen und gemeint es würde/ sollte nicht über 400 Rupie kosten. Aber natürlich funktionierte die App nicht und wie waren den Geiern ausgeliefert, die sich um uns scherten. Sie sahen sehr wohl, dass kein Fahrer in der App annahm und riefen: 1000, 500 und ich lachte und entgegnete ich wisse sehr wohl, dass es nur 400 sind. Einige drehten um, einer war ganz ruhig sagte wir sollen kommen, 400 sind okay. Na also :) Wir bedankten uns artig und konnten es kaum glauben, als wir endlich ankamen.
Wir checkten ein, sie waren freundlich, wir konnten unser Wasser auffüllen, durften die Betten zusammen schieben und duschten endlich den ganzen Staub ab. Das tat so gut! Gefühlt war das ganze Bad jetzt staubig orange :D Wir zogen uns um, gaben zwei riesige Säcke Wäsche ab und legten uns in die weichen Betten. Ich war bereit einzuschlafen. Da fiel Eric ein er hätte nun doch noch Hunger und wir gingen nochmal los. Ich war hundemüde. Deshalb gingen wir nur am See zwei, drei Restaurants entlang. Wir bestellten einen alkoholfreien Erdbeercocktail und stießen erstmal auf unseren Mammut-Walk an. Wir hatten uns, wir waren gesund, alles war gut :)
Eric bestellte ein Hähnchengericht, ich Spaghetti Cabonara. Die gab es aber nicht, also wählte ich eine Pizza Hawai. Die schaffte ich nicht, also ließen wir den Rest einpacken. Über mich senkte sich nämlich wirklich bleierne Müdigkeit, es war nun halb elf. Wir schleppten uns zurück und huschten ins Bett. War das auch geschafft.
Das muss ein Schutzengel einfach schaffen. Unsere Kinder sind so taff und stark. Da müssen wir Heiligenschein und Flügel aufpolieren. 😇
Na wenn das kein gutes Omen ist. 🤩
Nach so viel Erlebtem hab ich gar nicht viele Worte. Ich bin einfach nur heilfroh und überglücklich, dass ihr es geschafft habt, gesund und fröhlich seid. Vielleicht war ja doch ein Schutzengel unterwegs. Oder besser noch: zwei. Fühlt euch gedrückt. 😘😘