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einjahrblau

Tag 28 - Amazonas-Delfine

Aktualisiert: 25. Juli

Die zweite Nacht war angenehmer gewesen, nicht zu warm, nicht zu kalt. Irgendwas ist nachts mal aufs Wellblechdach geklatscht. Aber früh wurden wir von herrlichen Vogelgeräuschen geweckt und ich schickte meiner Familie schnell eine Audioaufnahme. Eric nannte den einen gern den Laser-Vogel.

Das übliche Prozedere stand an, nach dem kleinen Frühstück warteten wir geduldig, dass sich was tat. Ich hatte dem Chef, der unser Geld z.Z. in Medellín auszugeben schien, geschrieben und ein paar Punkte kritisiert. Wir hatten schon gelernt, dass vereinbarte Zeiten sowieso nicht eingehalten wurden und immerhin starteten wir nur 25min verspätet. Ich horchte auf als es hieß, dass wir wieder eine Art Touristensteuer i.H.v. 5€/p.P. zahlen sollten. Ich hakte sofort nach. Bei uns stand diese Aktivität sei inbegriffen, wir zahlten so schon zu viel, da zahle ich doch nicht noch drauf! Sie fingen an mit "naja" und "hm", das sei nun mal so und ich sagte: dann warten wir auf dem Boot und machen nur den Rest mit. Irgendwann ist meine Geduld überstrapaziert. Eric ist eh schon längst vom Glauben abgefallen.


Wir folgten einfach brav wie gestern, ich ließ mir in meinen Notizen abhaken welche „tollen Aktivitäten“ wir jetzt durchführten und dann fuhren wir mit einem älteren Ehepaar aus Bogotá und einem kolumbianischen Mutter-Tochter-Gespann den Fluss hinauf nach Puerto Nariño - einem angeblichen wunderschönen Ort ;) An der Stelle wo sich die Flüsse kreuzten sahen wir sie auch schon: unser Amazonas-Highlight, die grauen und sogar rosafarbenen Delfine. Wir erwischten zwei Sprünge als Video, die rosafarbenen waren allerdings zu schnell und wohl auch zu schüchtern, wir sahen immer nur die Rückenflosse aufblitzen.

Wir hielten am Bootssteg und sollten nun zahlen. Ich verweigerte mich und übersetzte unserem gelangweilten, sehr jungen „Guide“, dass ALLES inbegriffen sei. Er winkte ab und sagte ich solle das hier mit den Leuten klären. Nun wurde ich lauter. Ich habe bei Natura Park gebucht, da haben die Leute hier gar nichts mit am Hut, was falle ihm denn ein?! Der, der die Tourismussteuer bearbeitete, winkte beschwichtigend ab. Das Problem hätten sie regelmäßig mit Natura Park-Kunden, wir sollen einfach gehen und er ließ uns durch. Schade, dass man immer nur mit Diskussionen und Wut an sein Ziel kommt. Denn die (wohl zu ruhige tschechische) Familie hatte klein beigegeben und gestern gezahlt, trotz "all inclusive".


Wir liefen mit pochenden Herzen den anderen hinterher zur nächsten „tollen Aktivität“, einem schiefen, wackeligen Aussichtsturm aus Holz, den wir so bei uns nie betreten würden und gar nicht dürften. Keine Ahnung warum alle hier so lange blieben und saßen, wir freuten uns als es nach unten ging und wir alle ein Eis im Schatten aßen. Es war richtig heiß.

Danach schlurften wir durch die sonnigen Straßen, knipsten mal hier, mal da ein Foto und nachdem die anderen irgendwas eingekauft hatten, liefen wir auch schon zum Boot zurück. Na das war ja mal ein Ausflug. Hätte ich dafür Geld bezahlen müssen, wäre ich wohl spätestens jetzt vollends geplatzt. Ich beobachtete zur Beruhigung noch die fressenden Delfine, dann ging es schon weiter.


Die nächste „tolle Aktivität“ wartete auf uns. Eine Lodge, bei der lauter Affen wohnten. Erstmal bekam Eric eine Art Baumrindenschnaps. Nach seiner Reaktion lehnte ich dankend ab.

Gleich am Eingang hing ein Schild: „Don’t feed the animals.“ (Also nicht füttern.) und schon bekamen wir alle kleine Bananen für die Affen in die Hand und Nudeln für die zwei Papageien. Eric und ich standen ratlos herum. Was sollte das jetzt? Es wurde noch lächerlicher, als zwei erwachsene Männer immer wieder brüllten: „Monkey, monkey, monkey!“ (Affe, Affe, Affe!) um sie anzulocken. Es war nicht eingezäunt oder so, aber scheinbar waren die Äffchen gut angefüttert und trainiert. Rechts von einem Baum aus beobachteten wir eine kleine schwarze Affenfamilie mit zwei winzigen, richtig niedlichen Babies - und sie beobachteten uns. Links stand ein bunter Holzturm (etwas weniger wackelig) und dort sollten wir mit den Bananen hin. So schnell konnte man gar nicht gucken, da hopsten sie schon auf unsere Köpfe, Schultern, liefen den Arm bis zur Hand hinab und knabberten an den Bananen. Irgendwie ja schon süß anzuschauen, aber die Skepsis blieb. Die Süße der Bananen ist eigentlich gar nicht gut für ihre Zähne und die schienen sie mehrmals pro Tag zu bekommen. Um uns herum hopsten die kleinen grauen Affen mit orangefarbenen Beinen und ein größeres schwarzes Affenweibchen mit trauriger Geschichte. Ihr Partner-Äffchen, das Männchen, hatte an einem Stromkabel gebissen und war gestorben. Nun lebt sie hier mit der anderen Affenfamilie und schaut ganz traurig aus.

Es war nun bald 14 Uhr, wir bekamen alle Mittagshunger und beobachteten wie Fisch über einer Feuerstelle zubereitet wurde. Doch dann stellten wir mit Erschrecken fest: das war gar nicht für uns :(

Wir wurden schon wieder weitergetrieben, der nächste Punkt wurde abgehakt. Wir fuhren zum See, der mit braunem Wasser, aber keinem einzigen Delfin auf uns wartete und weil nur eine (auf Grund mangelnder Kommunikation) einen Badeanzug mithatte, blieben wir keine 10min. Eric und ich hielten zumindest die Füße ins Wasser und ließen sie dann gleich barfuß.

Wir fuhren zurück, unser „Guide“ hatte die ganze Zeit über weder was erklärt noch erzählt und wir baten ihn alle nochmal bei den Delfinen zu halten. Er stellte gelangweilt den Motor aus, legte sein Handy keine Minute zur Seite und wir sechs freuten uns bei jedem auftauchenden Delfin.


Irgendwann wurde es aber - wie beim Wale beobachten - echt anstrengend auf das wellige Wasser zu schauen und uns knurrte der Magen. Wir mussten noch ein ganzes Stück zurückfahren und wir zwei setzten uns in den Fußraum um uns an die Bank anzulehnen und legten die Füße hoch. Unsere Hintern taten vom Sitzen auf dem Holz schon weh. Wir bekamen dann 15:10 Uhr Mittag. Frühstück hatte es 7:30 Uhr gegeben - was war das nur für eine schreckliche Organisation? Eric kam aus dem Zimmer zurück. Offensichtlich hatte der Chef was geschrieben, denn unser Müll war geleert, die Gardinenstange neu fixiert, ein zweites Handtuch lag bereit und das Bett war gemacht - mit sage und schreibe sieben Kissen! Das Bett war winzig, was sollten wir denn mit sieben Kissen?


Wir hielten die Liste hin und fragten was als Nächstes „tolles“ auf dem Programm stehe. Ach super, traditionelles Angeln. Na den sinnlosen Schwachsinn kannten wir ja schon aus der Ha Long Bucht. Der gelangweilte junge Mann brachte uns mit Westen und drei Angelstöckchen zu einem weißen, motorisierten Boot und diesmal fuhren wir flussabwärts. Da immer alle hier wohnenden Paare und Familien auf der großen Holzterrasse saßen wo es Internet und Spiele gab, warf man sich stets gegenseitig mitleidig-belustigte Blicke zu, wohl wissend, dass das hier alles nur ein schlechter Scherz war.

Wir fuhren in einen kleinen Nebenarm rein und mussten an einem Fischernetz den Motor drosseln - immerhin war hier die Natur sehr schön. Dann bekamen wir unser Stöckchen mit Fischköder an einem winzigen Angelhaken in die Hand gedrückt und durften sie ins Wasser halten. Erics Blicke. Ich schwöre euch, ich konnte nicht mehr. Er sah so gequält aus, zweifelte sicher an unserem Verstand und sehnte sich gaaanz weit weg. Ich fing so an zu lachen, die Situation war einfach zu lächerlich wie wir da zu dritt in dem Boot hockten und lachte Tränen. Ich prustete und konnte einfach nicht mehr. Wir saßen da gut 45min bis alle Fischköder aufgebraucht waren, was mich nochmal hysterisch lachen ließ. Wir hatten jetzt also quasi Piranhas gefüttert. Na immerhin. Izmael - dem gelangweilten Bub, dem ich nicht mal ansatzweise abnahm, dass er sonst traditionell fischen ging, fing immerhin einen Mini Piranha und demonstrierte uns wie schnell dieser Zweige und Co. zerbeiße. Na schön, hatten wir das auch mal gesehen. Dann ließ er den Fisch wieder frei, weil wir ein Foto, auf dem wir den Fisch küssen, dankend (und angewidert) ablehnten. Joah. Wir waren echt bereit zum Aufbruch und steuerten durch das mückenverseuchte Gebiet zurück - schön in der Dämmerstunde. Eric war es immerhin noch gelungen beim letzten Versuch den Baum zu angeln, da sein Haken im Baum festhing. Da lockerte nochmal die Stimmung: was taten wir im Amazonas? Bäume angeln statt Fische.


Er schien zu merken, dass hier so einiges schief ging. Scheinbar hatte auch er Ärger vom Chef bekommen, denn plötzlich erwachte er und fragte ob wir rüber zur Insel wollen und mal am Strand des Amazonas lang laufen wollten. Ja! Wollten wir! Na endlich mal was schönes, authentisches, spontanes. Wir stapften durchs Wasser, der Boden war ganz weich. Es quackerte durch die Zehen durch. Es fühlte sich ein wenig an als liefen wir durch Kuhkacke. Er erklärte uns sogar von ganz allein, dass zwischen Juli-September nachts Schildkröten über den Sand bis in den trocknenden Wald liefen um ihre Eier abzulegen und zeigte uns Spuren im Sand. Ja! So was wollten wir über die Region wissen :) Es sei aber verboten hier nachts herzukommen und zu gucken, was wir bei dem Strom der Touristen nachvollziehen konnten.

Er ließ uns noch ein wenig im schwarzen, nassen Sand herumstapfen, langsam ging die Sonne unter und färbte den Himmel ein und Izmael (übrigens der einzige, der sich mit Namen vorgestellt hatte) zeigte uns bis wo das Wasser in der Regenzeit steige und wie viel Strand noch in den trockenen Monaten freigelegt werde. Das waren echt meterhohe Unterschiede - für uns so kaum vorstellbar. Dann fuhren wir im Sonnenuntergang zurück und freuten uns, diesen schönen Zwischenstopp eingelegt zu haben. Am Bootssteg schauten wir uns noch das Farbspektakel am Himmel an - der wohl schönste Sonnenuntergang unserer Kolumbienreise!

Joah und das war’s dann für heute. Der abendliche Kampf um die Hängematten stand an, denn unsere Hütte hatte nur eine, die daneben auch, die nächste keine und wir überließen sie letztendlich alle den vier Kindern. Alle Erwachsenen saßen geplättet am Tisch, wedelten Insekten weg und warteten aufs Abendessen. Es gab sowieso immer das gleiche: Reis, Fisch (aber immer anders zubereitet), Tomaten-Zwiebel-Salat und zu süßer Saft. Dann quälte man sich Unterhaltungen raus, tauschte Erfahrungen, sehnte sich an einen schöneren Ort, nutzte das Internet und wartete bis kurz nach neun um sich zurückzuziehen. 22 Uhr ging der Strom aus und wohl auch jeder unters Moskitonetz ins Bett. Unser Badlicht ging sowieso immer noch nicht.

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