ACHTUNG: Dieser Artikel thematisiert auch Tierquälerei.
Um es vorsichtig auszudrücken, ging es unseren Mägen noch nicht besonders gut. Da war es ganz gut, dass wir für heute noch keine Tour gebucht hatten. Wir frühstückten vorsichtig; es war mit im Preis inbegriffen (Tee oder Kaffee, ein winziges Saftgläschen, zwei Toastscheiben, etwas Butter, etwas Marmelade, Ei als Omelett und Kartoffeln oder Tomaten).
Den ganzen Tag nur rumliegen wollten und konnten wir aber auch nicht. Ich war gerade dabei alle Reisebüros, die Elefantenreiten anbieten und andere Elefantenstätten auf Google Maps so negativ zu bewerten wie nur möglich, da ploppte das „Stand Up 4 Elephants“ keine 5km von hier auf und das hatte top Bewertungen von westlichen Besuchern - die meistens genauso kritisch die anderen Institutionen bewertet hatten wie ich.
Ich wurde neugierig und rief die Website auf. Es war tatsächlich das ganze Gegenteil: ein tierfreundlicher Ort mit Führungen täglich, außer sonntags, um 14 Uhr. Ich schickte fix eine Mail und bekam prompt die Antwort wir können sehr gern heute vorbeikommen und wenn wir wollen, würde er uns ein TukTuk organisieren. Ja perfekt! So bekam der Tag scheinbar ein Highlight, aber erstmal schauen, was das wirklich war. Es kostete keinen Eintritt, man wollte also schonmal kein Geld mit den Elefanten verdienen.
Das TukTuk holte uns pünktlich und ich genoss den Fahrtwind, vorbei an den leuchtend grünen Reisfeldern. Die stehen nämlich grad in saftiger Blüte. Wir holperten über Stock und Stein und er wollte erst bei der Rückfahrt bezahlt werden. Mit uns kam ein Franzose an; ich wittere das ;) Und kurz darauf eine Schweizerin, die uns bekannt vorkam. Esther hatte im selben Hostel in Pokhara geschlafen und den selben Bus hierher genommen. Wir setzten uns alle vier im Halbkreis auf kleine Bambushocker und lauschten Michael, einem Ex-Kanadier aus Montréal, der sich einen Platz für seine Frührente suchen wollte und dann vor sechseinhalb Jahren hier hängen geblieben ist. Wie sich herausstellte (und es entlockte mir einen Seufzer) hatte er die Gründerin Floriane, eine Französin geheiratet und sie lebten nun seit fünfeinhalb Jahren hier gemeinsam und veränderten die Welt. Solche Leute, meine Damen und Herren, braucht es! Keine TikToker, die die nächste Generation versauen, sondern solche herzensguten Menschen. Ich wünschte ich könnte so was auch von mir behaupten und so ein selbstloses Projekt leiten. Aber vielleicht schaffe ich es ja auch als Lehrerin die Welt über die nächsten Generationen ein kleines bisschen besser zu machen :) Um ein Business-Visum zu haben, führen sie ein kleines Restaurant im Ort. Aber eins nach dem anderen.
Die ganze Welt verändern sie und ihr Team natürlich nicht, dafür bräuchte es mehr als Superkräfte. Aber sie verändern die Welt von Eva und Lhamo, zwei geretteten Elefantendamen und setzten sich für eine bessere Zukunft aller in Nepal lebenden Elefanten ein. Ich klebte an seinen Lippen und saugte sowohl die herzzerreißenden als auch die positiven Informationen auf. Wir durften ALLES fragen, bekamen auch erstmal die Basics zu Elefanten gelehrt (Unterschiede afrikanische und asiatische, Körperbau, Familienleben, Lebensweise, Fressverhalten, Fortpflanzung etc.) und dann ging es an die verstörenden Details.
Wir hatten ja gestern die in Ketten gelegten Elefanten gesehen. Es gab hier in Nepal drei Kategorien:
die frei, wild lebenden Elefanten
die der Regierung zugehörigen Arbeitselefanten
und die privat gehaltenen, auf denen die Touristen gesetzt werden (mögen sie alle in der Hölle schmoren)
Die Fußfesseln bereiten nicht nur an sich schon Schmerzen, sie hindern die Tiere auch sich bequem und artgerecht hinzulegen. Außerdem haben sie kein Zugang zu Wasser, der Mahout entscheidet wann sie trinken. Und ein Elefant trinkt bis zu 160 Liter pro Tag! Michael erzählte uns, dass Eva und Lhamo die einzigen Elefanten sind, die 24h Zugang zu Wasser haben. Oh Gott. Normalerweise, so war es v.a. früher, betreut ein Mahout einen Elefanten sein Leben lang. Sie knüpfen ein enges Verhältnis, hier wechselt es oft monatlich (außer bei Eva & Lhamo) und es sind junge Kerle ohne Ausbildung, ohne Sinn und Verstand, wenn man den Google Bewertungen glauben darf, auch gern mal betrunken am Elefanten quälen. Mit Schlägen auf den Kopf oder dem Elefantenhaken werden sie gefügig gemacht, meist hinter den Ohren, denn dort sind sie auf Grund der dünnen Haut und vielen Venen besonders schmerzempfindlich. Viele der Tiere seien schwer traumatisiert.
Tipp: Ich empfehle an dieser Stelle den Film: Wasser für die Elefanten mit Robert Pattinson. Er ist hart, ich habe ihn auch nur einmal geschaut, handelt von einem Zirkuselefanten um die 20er Jahre, ist aber verdammt gut und sehenswert.
Dann gab es noch das Zucht-Center, was auf Grund von fehlender Bildung gute Bewertungen hatte, aber dort (andere Seite der Stadt) standen, mit je einigen Metern Abstand, die weiblichen Elefanten angekettet. Auch ihre Babies, die Jungelefanten trugen schon metallene Fußfesseln. Und es war nicht etwa ein Zuchtprogramm, wie viele glaubten, um die Elefantenpopulation wieder zu stärken. Die hiesigen Elefanten werden niemals die Freiheit sehen, sie werden einfach nur als neue Arbeitstiere „produziert“. Die Regierung ist nicht daran interessiert, mehr wilde Elefanten in ihren Wäldern zu haben. Sie fressen bis zu 150kg pro Tag und sind extrem gefährlich. Drei Elefantenbullen im Chitwan-Nationalpark sind dafür besonders berühmt-berüchtigt. Einer trägt den Spitznamen Ronaldo, weil er mit den Köpfen seiner Opfer (zwei Einheimische, ein Tourist) gern Fußball spielt…
Auf jeden Fall ist das Gelände nach hinten offen, sodass die wilden Elefantenbullen jederzeit vorbeikommen und die wehrlosen, angeketteten Elefantendamen vergewaltigen können (was ja auch im Sinne der Betreiber ist). Und das, so erklärte uns Michael, widersprach ebenfalls der Natur von Elefanten. In Freiheit leben die Damen mit den Elefantenkindern als starke Gemeinschaft und kein Bulle könnte sich nähern, wenn sie es nicht wollen.
Wie abartig ist das…mir kamen bald die Tränen. Ich weiß, dass es auch Vergewaltigungsgestelle für Hunde in Zuchten gibt…das ginge jetzt zu weit, aber ich frage mich, wann der Mensch die Quittung kassieren wird für all seine Grausamkeiten…
Damit wir aber nicht in unserer Bestürzung ertrinken, widmeten wir uns auch dem guten Teil. Der kommt gleich, wir müssen noch kurz durch andere Fakten…Denn es gibt sie ja, die guten Menschen.
Die süße Eva wurde für $32.000 durch Spenden aus Privatbesitz gekauft. Ihr Preis war so niedrig, weil ihr rechtes Vorderbein lahmte und sie immer schwächer wurde. Lhamo wurde später, ebenfalls aus Privatbesitz, für $45.000 von einem belgischen Anwalt frei gekauft, der sie sozusagen hier in Pflege gegeben hat. Man zahlt sonst gut und gerne bis zu $100.000; Elefanten sind teuer. Man wollte Lhamo zu Corona-Zeiten (?) nach Indien verkaufen und dort haben Elefanten ein noch viel schlimmeres Leben als lebendige Statuen vor Tempeln, für Touristen und Co., da sie oft zusätzlich unterernährt werden um Kosten zu sparen. Und auch das, so sagte uns Michael, müsse man sich mal vorstellen. Hier war es möglich eine offiziell als gefährdet eingestufte Tierart über die Grenze zwischen Nepal und Indien zu „schmuggeln“, wobei es eben kein Schmuggel war, sondern bei Tageslicht geschehe und einen Elefanten kann man nicht mal eben in der Hosentasche verstecken.
Beide Vorbesitzer haben übrigens versprochen keinen neuen Elefanten zu kaufen; die Gefahr besteht nämlich, wenn man z.B. aus einem Zirkus Tiere freikauft. Der eine hat sich für das Geld einen Pool an sein Hotel bauen lassen ;) Für weitere Rettungen ist derzeit kein Platz da, sie sammeln gerade Spenden für mehr Gelände. Frei lassen dürfen sie sie nicht. Sie bezahlen jeden Tag eine Gebühr um mit den beiden Elefanten in den Wald gehen zu dürfen…so bizarr…
Er grinste auch und meinte, sie seien keine Amerikaner und gehen nicht defensiv vor, weil man sie sonst vertreiben würde. Sie klären auf, laden ein und bieten Alternativen und zeigen wie es auch anders geht. So haben sie z.B. die „Elefanten Happy Hour“ ins Leben gerufen. Auch hier lebt der Elefant in Gefangenschaft, es ist also nur eine Übergangslösung. Aber er muss keinen Kontakt mit Menschen wie beim Baden haben und keine Schmerzen erleiden wie beim Reiten. Bei der „Elefanten Happy Hour“ begleitet man den Elefanten eine Stunde lang und genießt es einfach ihn zu beobachten und wenn er davon 45min schläft, träumt man eben mit. Das wurde auch oft gebucht und gibt es nach wie vor. Aber v.a. seitens der asiatischen Familien ist die Nachfrage nach Elefanten-Ritten noch zu groß.
Sie laden auch die Dorfkinder zum gemeinsamen Müllsammeln, Feste feiern und Basteln ein, bieten die Produkte der hiesigen Frauen zum Verkauf an (wo auch wir zuschlugen) und wollen sich positiv in der Gemeinschaft integrieren. Wirklich großartig!
Ein weiteres Problem sei die Regierung bzw. Gesetzgebung. Es gebe schon Gesetze zum Schutz der Tiere, aber keine Strafen und keine Kontrollen. Also quasi nutzloses Geschwätz. Viele Tiere in Privatbesitz sind auch gar nicht registriert; sie selbst wollen seit zwei Jahren ihre Elefantendamen eintragen lassen…Aber sie versuchen Stück für Stück in die richtige Richtung zu gehen und dann bessere sich auch der Zustand, weil nichts mehr im Verborgenen geschehen kann, man Zahlen habe etc.
Nachdem wir all dem mit offenen Mündern gelauscht hatten, setzten wir uns um, durften ab jetzt auch nicht mehr aufstehen und dann sahen wir die zwei stattlichen Elefantendamen von ihrem Dschungelausflug zurückkehren. Die Mahouts auf ihren Rücken waren Pflicht, da sie durchs Dorf liefen und unberechenbar werden konnten. Sie kamen in ihr weitläufiges Gehege und außer den zwei Mahouts durfte nur Michael mit rein, für alle anderen war es eine viel zu große Gefahr. Eva hatte einen Narren an Michael gefressen; er kniete sich unter ihre Brust und streichelte sie am Bauch und Beinen. Vielleicht entdeckt ihr ihn ja auf einem Foto, ganz versteckt ;) Das war ihre gemeinsame Kuschelzeit, die sie jeden Tag einforderte. So niedlich. Lhamo war da unabhängiger. Sie bekamen frisches Wasser und dann begann, je einzeln, das Elefanten-Training aka Elefanten-Spa. Mit leckerem Obst wurden sie dazu gebracht all ihre Füße zu zeigen, damit sie auf Verletzungen geprüft werden konnten und die Nägel wurden gefeilt. Die Öhrchen wurden auch einbezogen um ihnen für mögliche Impfungen die Angst zu nehmen. Eva brauchte extra Bäder und Spray, da durch die schlechte Haltung ihre Vorderfüße, also die Nägel stark in Mitleidenschaft gezogen waren :( Tapfere Dame. Eva war übrigens ca.30 und Lhamo ca.50 Jahre alt und nach anfänglichen Schwierigkeiten sind sie die besten Freundinnen geworden :)
Wir sahen zu wie sie glücklich Maiskolben und Reismalasse in sich reinstopften und konnten uns kaum loseisen. So gegensätzlich und voller Glück war der Anblick zu den gestrigen Elefanten. Wir schossen ein Abschlussfoto, spendeten in die Box, kauften Karten, Seife und Anhänger (später noch Armbänder auf eure Bestellungen hin) und fuhren zurück. Das waren denkwürdige, aber auch großartige zwei Stunden an einem der tierfreundlichsten Orte der Welt gewesen. Da wurde mit viel Herzblut Tierschutz betrieben. Wir mussten das alles verdauen. Duschen. Dann gingen wir in die Shantiko Kitchen, ihrem Restaurant. Ich aß Fish&Chips, Eric Burger und der Kellner war genauso ein sympathischer Kerl wie die Betreiber. Ein toller Wohlfühlort.
Ihr wollt die Welt ein Stück besser machen?Dafür müsst ihr keinen Elefanten kaufen, es beginnt im Kleinen: bewertet auf Google Maps mit je einem Stern (niedrigste Bewertung) im Chitwan Nationalpark
das Elephant Breeding Center
den Elephant Riding A
den Elephant Riding B
… … …
Auf dass die Betreiber und vor allem asiatische Touristen darauf aufmerksam werden und lernen, wie falsch das ganze ist. Kostet euch nur wenige Minuten, schenkt euch wertvolle Karma-Punkte :) Wir verlieren in unserem Alltag mit unserem ökologischen Fußabdruck täglich genug…Sucht gern herum und kritisiert wo ihr nur könnt. Ist mal eine Online-Alternative für Instagram, Pinterest (ja ich liebe es auch) und Co.
Achso und „Stand Up 4 Elephants“ könnt ihr mit fünf Sternen bewerten, bei Facebook sind sie auch und geben Einblicke in ihren Elefantenalltag :)
Da ich mich schon in Thailand mit Elefanten Sanctuarys beschäftigt hatte (angeblichen Pflegestationen) könnt ihr hier gern noch weiterlesen. Dort werden wir keine Elefanten besuchen und das krude Vorgehen nicht unterstützen. Ein Ex-Deutscher ist besonders schlimm (den könnt ihr gleich mit negativ bewerten)…und leider gibt es noch viel zu viele die für ein „tolles“ Urlaubs-/ Instagram-Foto alles tun.
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