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einjahrblau

Tag 29 - Kulturprogramm

Warum auch immer war die Nacht zu warm gewesen. Vielleicht lag es auch an den sieben Kissen, mit denen wir nicht so richtig gewusst hatten wohin damit. Es gab das immer gleiche Frühstück und mit den selben vier Kolumbianer:innen von gestern ging’s ans Palmenblätterflechten. Eric freute sich ;)

Das hatten wir zwar schon bei der ersten pobligen Wanderung gezeigt bekommen, aber ihnen fiel vielleicht nichts mehr ein. Wir sollten später sehen, dass sie tatsächlich so z.T. ihre Dächer deckten und webten mal drauf los. Immer schön versetzt, bei mir brachte der Meister alles durcheinander indem er plötzlich mal zwei oder drei Stränge verwob. Aber am Ende sah mein Muster trotzdem gleichmäßig aus und Eric und ich hatten mehr Talent & überraschenderweise Geduld bewiesen als die anderen. Na das war doch ein Spaß, zumal alle anderen mit auf der Terrasse saßen und uns zuschauten. Plötzlich wurde alles weggeräumt und ein kleiner Alligator zu Tage befördert. Gott, was war hier nur los. Ich fragte nach. Ja den hatten sie gegenüber auf der Insel geholt und setzten ihn nun hier in den Teich. Wenn sie zwischen 6-8m erreichten und gefährlich waren, aß man die Delikatesse. Alle jubelten, schrieen herum, machten Fotos und reichten das arme Tier von einer Hand zur anderen. Wir hielten uns zurück. Es war einfach zu bizarr.

Und dann - heute wollten sie es richtig wissen - stand auch schon die nächste „supertolle Aktivität“ an, vor der uns die Niederländer und Tschechen schon gewarnt haben. Sie schauten deshalb auch belustigt zu wie wir uns unserem Schicksal ergaben und zum Boot liefen. Wieder mit den vier fuhren wir ins Dorf Macedonia. Dort liefen wir in der prallen Sonne in eine Art Festhalle, verstanden kaum ein Wort von der Geschichte und wohnten einem 10min Tanz der indigenen Bevölkerung bei. Das war so unangenehm. Die anderen hatten auf Grund des dörflichen Dialekts auch nicht viel verstanden, aber es wäre wohl Teil einer dreitägigen Hochzeitszeremonie. Puuh. In allen Ländern dieser Erde ist es einfach unangenehm, wenn Touristen auf Bänke gesetzt werden und sich Einheimische in alte traditionelle Kleidung zwängten und auf Krampf etwas vorführten, was sonst gar nicht mehr oder nur zu ganz speziellen Anlässen durchgeführt wird. Sie gingen dann auch mit einem Spendentopf rum und wir fragten uns wirklich wo die hunderte von Euro hinflossen, die wir hier gezahlt hatten. Es tat uns ja Leid, aber wir hatten gar kein Geld mit. Es war so unangenehm, weil sie einfach vor uns stehen blieb. Um uns herum waren dann noch lauter Stände an den Wänden aufgebaut. Ich fress einen Besen, wenn die Feuerzeuge und Schlüsselanhänger in kleinen Plastiktüten „echte Handarbeit“ sind. So was kauften wir nicht, brauchten wir auch nicht und warteten draußen. Wir schauten uns stattdessen einen Baum mit orangefarbenen Blüten an, rote Früchte am Baum und so ungern ich es sage: wir sehnten uns nach Hause. Es reichte uns und sollte auch nicht besser werden.

Als wir zurückfuhren (jaja, das war es schon gewesen) bekamen wir heute plötzlich schon 11:45 Uhr, dreieinhalb Stunden eher als gestern Mittag. Eine winzige Portion und wir sahen auch bald warum. Denn die tschechische Familie mit den kleinen Kindern bekam zuletzt und hatte so riesige Portionen, dass sie vieles wegschmissen. Sie hatten also erst gespart, um sicher zu sein, dass alles reicht und dann den Rest drauf gepackt. Da hier aber eine kleine winselnde, knochige Hundedame herumlief, mit Wunde auf dem Köpfchen, hatten wir ihr ganz viel von unserem Essen abgegeben und dann noch unsere letzten Cracker zerbröselt und Wasser hingestellt. Der eine kam und wollte ihn vertreiben, denn der Chef sehe die Dorfhunde hier gar nicht gern, aber ich fauchte ihn an es interessiere mich einen Dreck was der Chef gern sehe, er sei ja nicht mal hier. Sie versuchten nochmal den Hund wegzutreten, aber ich stellte mich dazwischen und ich bin mir sicher, dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist.


Ich nahm das winselnde Fellknäuel später sogar mal mit unser Zimmer und verschenkte so viel Liebe wie es in kurzer Zeit ging. Ich bat die Tschechen der Hündin noch etwas vom Essen abzugeben, was die Kleine in Windeseile verschlang. Der Familienpapa meinte nur, das seien hier eben keine Haustiere, dafür halte eine Dorffamilie einen Affen als Haustier. Er sei aber nicht angekettet. Achso, und das finden wir jetzt okay oder wie? Und zeigen das stolz den Kindern? Weil sie ja unbedingt Tiere sehen wollen. Haben denn alle den Verstand verloren? Wenn wir die hier Money machen wollen wie die Großen und internationale Gäste empfangen wollen, dann dürfen sie auch was dafür tun. Ich passe mich hier auch an und schaue mir die Bräuche an, aber ich muss noch lange keine Misshandlung von Tieren dulden, nur weil es hier an Bildung fehlt. Dann können wir es doch lehren und zeigen, was okay und nicht okay ist. Vielleicht taten wir der Maus keinen Gefallen, aber ich wollte, dass sie wenigstens noch ein bisschen zu Essen bekam solange wir hier sind bevor sie umfiel. Damit noch was abgehakt werden konnte, bekamen wir jetzt unser Frucht-Tattoo. Eigentlich verstehe ich unter einem Workshop etwas, wo man mit macht, etwas lernt, es ausprobiert. Aber es dauerte wieder nur 5min und wir hielten nur stupide unsere Arme hin. Immerhin hatten wir Motiv, Größe und Stelle raussuchen dürfen. Die Frucht schnitt man auf und zündete sie an. Dann wurde sie schwarz, man ließ es abkühlen und er tunkte ein Stäbchen hinein. Es wurde nicht wirklich geritzt, sondern nur über die Haut gestrichen. Nach zwei Stunden sollte die Farbe kräftiger sein, acht bis 10 Tage hielte es. Ich wählte einen Wal, Eric auf meinen Vorschlag hin einen Baum. Und schon war es vorbei.

Es wurde dann auch verspätet Zeit für die eigentlich gestern auf dem Programm stehende drei Stunden Wanderung. Die ältere Kolumbianerin blieb hier, wir fünf bekamen Gummistiefel - läuft sich auch so toll darin drei Stunden auf und ab. Dann ging es in den Dschungel. Eric war happy, dass wir wenigstens ein bisschen Bewegung hatten und noch was vom Dschungel sahen. Wir durchliefen das benachbarte Dorf und dort wimmelte es nur vor abgemagerten Hunden, die den Schwanz einzogen und Müll. Hauptsache am Eingang stand eine Tonne mit Schild: Bitte keinen Müll hinterlassen. Wir mussten uns in ein Büchlein eintragen und wurden an einen Guide übergeben.

Wir stapften weiter und waren Schweiß gebadet. Alle waren puterrot, wischten, stöhnten und meine Idee für die letzten Tage legte ich ad acta. Den viertägigen Dschungel-Trek zur Ciudad Perdida, der verloren Stadt, die noch älter als der Macchu Picchu ist, den Monica empfohlen hatte, können wir vergessen. Wir schwitzten schon hier wie Blöde und zogen das Viehzeug an. Ständig blieben wir stehen, es summte um uns herum und er zeigte auf irgendwelche Bäume. Irgendwann wurden wir mit Flusswasser geweiht und baten die Götter um Erlaubnis den Hügel zu betreten. Ich konnte nicht mehr…und Tiere zählen nicht? Das Ziel der Wanderung, wir kamen alle fix und fertig dort an, war eine heilige Quelle - sodann man daran glaubt. Wir hielten alle unseren Kopf drunter, aber nicht zur Heilung, sondern zu Erfrischung, dann ging’s auf dem Rundweg zurück.

Zurück im Dorf kam ein Welpe, schon auf einem Auge blind, auf uns zugetapst und trank begierig aus unserer Hand. Schwerer Fehler, er lief uns nach. Die Nachbarin fragte ernsthaft ob das unserer sei. Klar, den haben wir mitgebracht. Eric brachte ihn schweren Herzens wieder zurück und ich begann zu weinen. Es war zu viel, ich weinte den ganzen Rückweg, weil wir das arme Ding nicht retten konnten. Eric konnte mich nicht mal drücken, denn ich wat klatschnass und schweißgebadet. Er strich nur hilflos über den Arm und meinte: „Ach Maus…“

Apropos Arm. Auf Erics war GAR NICHTS mehr zu sehen, auf meinem nur blasse Linien, als hätte ich vor Tagen mit Filzstift drauf gemalt.

Als wir dann eine gekochte Palmfrucht bekamen, die schmeckte wie eine Mischung aus Süßkartoffel und Kürbis legten wir einige auf den Boden für die Hunde. Das brachte uns keine begeisterten Blicke ein - mir egal. Wir tranken Saft und ruhten aus, warteten und warteten. Scheinbar hatte derjenige von unserer Unterkunft keine Lust uns abzuholen, sodass der Guide dann doch noch mit uns weiterlief. Als hätten wir das nicht allein gekonnt, hier war nur ein Trampelpfad. Die gestern hatten Kakao probiert. Wir leider nicht. Ich rannte quasi sofort unter die Dusche und weichte auch die dreckigen, schweißigen Sachen ein, in der Hoffnung sie würden rechtzeitig trocknen. Als ich auf die Terrasse trat, kam die abgemagerte Hündin auch schon angesprungen als ich in der Hängematte lag, hing auf mir, bettete das Köpfchen und wir schaukelten und kuschelten sacht im Wind. Die arme Maus, möge sie ganz viel Liebe mitnehmen.

Der Angestellte guckte skeptisch und meinte der indigene Mann sei da fürs Interview, ein weiterer lächerlicher Punkt auf der Liste. Ich winkte ihn weg, Eric sei noch duschen und ich kuschelte doch gerade. Er sagte nichts, schaute aber nochmal auf den Hund. Ich hielt die Maus fest, sie hatte die Augen zu. Bis Eric kam, der musste ja erstmal begrüßt werden. Dann gingen wir, hundemüde und genervt zu dem 66-jährigen Mann und setzten uns gemeinsam an den Tisch. Was sollte das jetzt werden? Wo hatten sie den denn so schnell hergeholt, gestern hatte es geheißen, der Stamm sei gar nicht da. Aber sie wollten uns eben auch partout kein Geld zurückgeben. Wir übersetzten ein paar Fragen, aber er konnte es nicht lesen - vielleicht auch, weil er keine Brille hatte. Wir verstanden seine Antworten kaum. Gott, das war so bescheuert. Wir verpassten nun den Sonnenuntergang und sollten ihm zu dem Schlammbecken folgen. Super. Frisch geduscht und nun schon das zweite Mal an diesem Tag wurden wir wieder geweiht - mit braunem Schlickwasser und mit dem Blätterbündel bestrichen. Das sollte uns jetzt Glück bringen und gesund halten - uns reicht es schon, wenn wir das Glück hätten bald wieder zu Hause zu sein. Wir mussten uns zusammenreißen noch höflich zu bleiben, aber nach 10min war auch diese „tolle Aktivität“ mit einem echten Medizinmann überstanden.

Wir fragten nochmal nach dem Badlicht, schrieben auch mit dem Chef. Ja, jetzt rissen sie die Verkleidung, also den Lichtschalter ab und wir sollten die Kabel direkt miteinander verbinden. Haben die eigentlich eine Macke? Wir passten auf, dass wir nirgends dran kamen und hingen unsere Stirnlampe auf. Von der neu angereisten deutschen Familie wurde die Stirnlampe schon gestohlen. Auch sie sehnten sich ganz weit weg.

Wirklich…so schlimm ist es uns auf Reisen noch nie gegangen außer am Ende in Afrika. Am Anfang hatte es uns gefallen, die Leute waren nett, es war informativ, alles so exotisch mit Kaffee- und Kakao, aber jetzt zählten wir wirklich die Tage und wollten einfach nur nach Hause. Wäsche waschen, schlafen, Wunden pflegen, neues Geld verdienen, denn wir wurden ja hier ausgenommen wie Weihnachtsgänse. Mehrmals hatte ich nachgefragt ob wir Geld zurückbekämen, weil das Licht nicht geht, weil die Aktivitäten lächerlich sind, wir nichts verstanden und wir auch gar nicht alles schafften, aber dann kamen sie eben schnell und zauberten einen 5min Schwachsinn. Ich werde das in der Steuererklärung als Spende an den Urwald angeben…

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