Aller Trübsinn half nicht weiter. Wir sahen der Sonne beim Aufgehen zu (eine Seltenheit), kuschelten uns nochmal ein und verfolgten das morgendliche Schauspiel der Nilpferde. Immerhin. Wie oft können wir schonmal neben wilden Nilpferden einschlafen und wieder aufwachen? Erst planschten sie grunzend und schubsten sich, ließen sich faul im Wasser treiben und als die Sonne dann wärmend am Himmel stand, schleppten sie sich ans Ufer. Auch dort wurde noch einmal grunzend gerangelt, es galt den bequemsten Platz zu finden. Schon irgendwie süß. Wir aßen unsere Corneflakes in der Sonne, ich schaute aus dem Zelt hinab, Eric saß zu meinen Füßen. Alles war gut.
Wir ließen uns heute eine Stunde länger Zeit um die Nilpferde zu beobachten, dann verließen wir diesen Platz, der Preise hatte wie eine fünf Sterne Lodge, aber eine Ausstattung, die das Gegenteil bezeugte. Immerhin hatte jemand Küchenrolle vergessen und da unser Vermieter das Küchenhandtuch vergessen hatte, konnten wir so leichter abtrocknen. Ein unverhofftes Schnäppchen :D Ironie aus.
Weiter ging es also im Okavango Delta.
der Okavango Fluss entspringt in Angola, durchfließt Namibia und zerteilt sich dann hier in Botswana in unzählige Flussarme auf
Sechs Monate dauert es bis das Wasser aus Angola hier im Delta ankommt
Im Juli & August wird die Landschaft dann geflutet, z.Z. unseres Aufenthalt spürt man davon erst sehr wenig
Wir hatten wieder lange Fahrten vor uns. Zwischendurch wurde Eric per Lachen und Handzeichen gebeten zu helfen einen schweren Anhänger an die Anhängerkupplung zu hängen - kein Problem. Dann fuhren wir weiter. Am South Gate fragten wir mal nach, ob sich das noch tiefer innen gelegene Camp lohnen würde. Mit unserem Tank lehnte man ab, die meisten hatten 160l, also doppelt so viel. Wenn wir da ankämen, könnten wir nicht mehr viel machen. Außerdem kostete es sagenhafte 71€/ Nacht. Ein Zeltplatz. Ach nein, dann blieben wir lieber bei unserem Plan und fuhren wieder aus der „Kernzone“ hinaus. Auf dem Weg wurden unsere Reifen und Flip Flops desinfiziert - also mal im Ernst. Als ob wir hier in Flip Flops rumgelaufen sind…wir besuchten zwei Handwerkskunst-Shops links an der Straße. Mir haben es ja die Körbe, Matten und Döschen aus geflochtenen Gras, Schilf und Aloe Vera angetan, aber wir entschieden uns für ein anderes Mitbringsel aus Holz; jetzt stand ja nur noch einmal Packen an. Die Schälchen, Matten & Co. hatten auf Grund ihrer (zeit-) aufwändigen händischen Herstellung stolze Preise. Das konnten wir absolut nachvollziehen, aber ein Stück allein sehe eben seltsam aus, so Leid es uns tat. Dann bogen wir kurzerhand rechts ab. Eric hatte auf Google Maps die Markierung „Elephant Havens“ gefunden und wir mussten an unseren ersten Campingplatz „Elephant Sands“ denken. Vielleicht war auch hier ein guter Spot zahlreiche Elefanten anzutreffen.
Zunächst zog sich der Weg ewig weit, nur auf Grund der wahrlich zahlreich aufgestellten Schilder wussten wir, dass wir auf den richtigen Pfaden sind. Wo kamen wir hier nur hin? Selten war etwas so gut beschildert, selbst in den Nationalparks kamen wir regelmäßig ins Wegerätseln. Und dann war es vor uns. Ein riesiges Tor, was sich öffnete und wir folgten ungefragt einfach dem Auto vor uns. Ob es ein Campingplatz war? Aber so ein fettes Tor? Prompt wurden wir von einer herzlich lächelnden Mitarbeiterin auf Englisch begrüßt: „Willkommen im Elefanten-Hafen, dem Waisenhaus für junge Elefantenkinder.“
Huch.
Damit hatten wir jetzt nicht gerechnet, aber so verdattert wie wir ihr entgegen blickten, so entspannt erklärte sie sofort alles. Scheinbar verirrten sich öfter mal welche hierher. Der Eintritt in Form einer Spende käme 1.000 Pula pro Person. Da sie fälschlicherweise erst $100 sagte, schluckten wir und stammelten, dass das so spontan etwas viel wäre. Sie verstand es, wenn es nicht im Budget lag und ließ das Tor offen. Aber wir gaben es trotzdem mal in den Währungsrechner ein (es waren „nur“ 65€), denn irgendeine magnetische Baby-Elefanten-Kraft hielt mich an diesem Ort und ich hielt Eric noch davon ab wegzufahren. Ich sah es ihm an, dass er es mir ansah und schonmal resigniert einen Parkplatz suchte: es war um mich geschehen. Hier fuhren wir nicht einfach wieder weg. Er hatte mich hierher gefahren, nun wollte ich Elefanten-Waisenkinder sehen (und unterstützen). Denn die nette junge Dame hatte auch erklärt, dass man eine Führung erhielte und am Schluss die Elefanten auch kennenlernte. Das schallte nun in meinen Ohren. Elefantenkinder. Zum Greifen nah. Wir überlegten, eine größere Gruppe hatte eh schon begonnen, doch ein neuer Mitarbeiter tauchte auf, erklärte nochmal alles und meinte wir können einfach mit ihm allein folgen. Na gut. Kreditkarte gezückt, Pipi gemacht und auf ging es. Auf dem Weg durchs Gelände erzählte uns unser sympathischer junger Guide, dass das Waisenhaus 2017 von einem texanischen Paar (USA) und einem Ortsansässigen gegründet wurde, die Regierung aber fast ein Jahr brauchte um die offizielle Genehmigung zu erteilen. Im Dezember 2018 konnten sie dann ihre Mission starten und erhielten den ersten Anruf; der erste kleine verwaiste Elefant wurde aufgenommen und aufgepäppelt.
Das ganze funktioniere so, dass das Waisenhaus Anrufe erhielt, meist von Lodges, wenn ein Kleines allein gesichtet wird. Dann wird geprüft ob es wirklich verwaist ist, meist mit Rangern vor Ort, manchmal werden die Tiere dazu mehrere Tage beobachtet um sicher zu sein, dass sie man sie nicht fälschlicherweise von ihrer Herde trennt. Bis sie fünf Jahre alt sind, bleiben sie hier, dann sind sie alt genug um ausgewildert zu werden. Klingt in menschlichen Jahren sehr jung, in Elefantenjahren scheint es auszureichen. Zur Zeit leben hier sieben Elefantenkinder, Kapazität ist 25. Das jüngste (mein heimlicher Favorit) war 11 Monate und das älteste, die derzeitige Matriarchin der Gruppe, zweieinhalb Jahre. Sie alle sind aus verschiedenen Gründen hier. Bei einigen weiß man nicht, was genau vorgefallen ist, eines wurde zwischen zwei toten Elefanten gefunden (wahrscheinlich die Eltern), weil diese von Farmern niedergeschossen sind. Das ist dann erlaubt, wenn sie aufs Grundstück kommen und das eigene Leben und der Besitztum gefährdet ist. Ein weiteres kam her, nachdem die Herde zeitgleich zu Corona an einem Virus gestorben war, der wohl im Wasser enthalten war. Manchmal sterben die älteren Familienmitglieder aber auch eines natürlichen Todes oder Unfall. Ein weiteres hat man mehrmals aus dem Schlamm befreit und dann eingesehen, dass es allein und schutzlos ist.
Das Waisenhaus hat sich Botswana als Ort ausgesucht, weil hier die meisten wilden Elefanten leben und die Regierung Jagdverbote ausgesprochen hat und zunehmend Artenschutz betreibt. Kommt ein Anruf, fahren sie stundenlang zu dem kleinen Elefanten, der Hilfe benötigt. Essen kaufen müssen sie nur Obst für abends als Leckereien und diese Pellets, um sie abzulenken, wenn Neugierige wie ich vorbeikommen. Für die Nacht bekommt jeder Elefant einen riesigen Ast mit frischen Blättern ins Gehege, sie fressen ja doch sehr viel :D Kontakt zu den wilden Elefanten der Region haben sie ab und an über die Zäune. Uns wurde berichtet, dass sie manchmal beim Rüsseltasten beobachtet werden :) Ich kann mir vorstellen wie schwer es ist sich von den lieb gewonnenen Elefanten zu trennen. Unser Guide hat auch zwei Lieblinge, da sie wie Menschen auch alle eine eigene Persönlichkeit haben. Eine war z.B. ganz schüchtern.
Und dann kam der Moment. Wir gingen in ein kleines Gehege. Jawohl, nicht die Elefanten, sondern wir waren zum Schutz komplett eingezäunt. Dann wurde uns alle der Reihe nach namentlich mit Alter und ihrer Geschichte vorgestellt - sofern bekannt. Ich schmolz dahin. Einer hieß Eric. Alle standen abgetrennt, denn sie waren sehr eifersüchtig beim Essen - verständlich - und als das Kleine bedrängt wurde, kam die Älteste angetrötet, sorgte für Ordnung und blieb gegen den Willen der Mitarbeiter bei ihr stehen. Die lachten dann und ließen sie gewähren. Uns wurde gezeigt, wie wir sie mit den Apfel- und Orangenstücken füttern durften und welche zwei Elefanten die Orangen verschmähen. Wir konnten entweder die Hand vorstrecken und dann kamen die kleinen Rüsseln und mopsten sich schnell das Obst oder wir konnten den Arm hoch halten, dann hoben auch sie ihre Rüsselchen und sanft legten wir dann das Stück Obst direkt ins Maul des Kinderelefanten. Eric ließ mich gewähren und geduldig schaute ich welcher Elefant gerade nicht umringt war, denn wir waren zu den anderen Besuchern gestoßen. Ich durfte auch die Köpfchen streicheln, sie waren überraschend raus und borstig. Ich überredete Eric sie auch zu füttern, das werden wir vielleicht nie wieder im Leben tun können.
Wir konnten uns gar nicht satt sehen an so viel Niedlichkeit! Die große Gruppe zog schon von dannen und wir staunten: sie sind mit zwei Helikoptern hergeflogen, das sei hier wohl recht gängig. Na denn, edel geht die Safari-Welt zu Grunde ;) Mit uns war allerdings eine lärmende afrikanische Familie zu Gange, die posten was das Zeug hielt. Wir hätten uns von den Mitarbeitern gewünscht, dass sie sie mehr ermahnten, aber das trauten sie sich mit zahlenden Spendern vielleicht nicht. Ich wurde mit Schlamm bespritzt und alle entschuldigten sich gleich, aber hey. Ich war von Elefantenkindern umzingelt, war doch alles okay :)
Unser Guide fragte vorsichtig, ob wir bereit sehen uns von den süßen Kleinen zu trennen. Puuh, das werden wir nie sein, aber wir gönnten ihnen nach dem Trubel ihre abendliche Ruhe bzw. maßen sich gerade zwei junge Damen. Ab jetzt hieß es nicht stehen bleiben, da wir quasi durch sie hindurchliefen und dann war unsere Zeit hier auch schon vorbei.
Hach, war das niedlich. Und auch wenn ich gern für Spenden aufgerufen habe, denke ich, dass sie hier mit ihren Helikopter-Besuchern ihre Spenden eintreiben können. Auf der Rückfahrt grübelten wir auch. Für uns blieb wie immer eine Restskepsis. Natürlich hatte es auch uns bewogen eine so hohe Pflichtspende zu tätigen, weil wir mit den Elefanten interagieren konnten. Doch die Art und Weise war in unseren Augen…ausbaufähig. Keiner muss da rumkreischen und 5min für Insta-Fotos posieren. Die Elefanten müssen nicht trainiert werden, sich von allen Besuchern füttern zu lassen. Warum? Sie sollen ja wieder ausgewildert werden! Warum also quasi zähmen? Hm…da muss ich wohl mal eine Email schreiben und nachhaken. Denn viele dieser Gedanken kamen erst abends, als wir diese überraschende Wendung des Tages sacken ließen. Denn eigentlich hatten wir angedacht noch mit dem Kanu durchs Delta zu fahren, doch unser Pläne hatten wir ja dann - wie so oft - über den Haufen geworfen. Reicht für heute, bald ging die Sonne unter und ich fuhr uns zurück nach Maun. Im Supermarkt wurden wir vom Türsteher diesmal wirklich höflich und neugierig gefragt, wo wir herkommen und wie es uns gefiele und wir hatten so gute Laune, dass wir uns nur zu gern auf diesen Small Talk einließen. Dann winkten wir zum Abschied und fuhren zurück zum vorgestrigen Campingplatz. Der war groß und vor allem günstig und bedeutete nur wenige Minuten Umweg. Auf dem Weg dahin wurde es dunkel und wir staunten. Die Straßen waren mit jungen Leuten gefüllt, fast alle saßen vor und gingen zu einem der kleinen Container-Bars oder Liquor Stores, hörten dort Musik oder spielten Volleyball. Was sollen sie auch sonst tun?
Wir checkten wieder ein, bekamen heute den Platz 1, bauten auf, kochten Reis mit Baked Beans, gingen den ganzen Staub des Tages abduschen, sortierten Bilder, erfreuten uns an dem Erlebten. Denn ja, es gibt sie. Die guten Orte für Tiere und die schönen Momente in Afrika ;) Leider campte genau hinter uns eine lärmende Gruppe und zerstörte die abendliche Idylle. Als ich ihnen zurief, dass sie nicht allein hier seien, lachten sie nur und wir hörten heraus: da hatten so einige der jungen Leute zu tief ins Glas geguckt. Oh man…
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