Am nächsten Morgen bereitete uns Eric leckeres Rührei vor, ich schnitt Äpfel und belegte Schinkenbrote für unterwegs. Dann packten wir die Rucksäcke, cremten uns ein, ließen die Rucksäcke einschließen, da wir gleichzeitig auscheckten und liefen wieder auf Salentos Hauptplatz, wo alle Touren starten. Die beiden Münchner hatten uns gesagt, dass man in einem Eck-Café Kaffeetouren buchen könne. Und wir wollten den Tag ja noch nutzen.
Wir irrten ein wenig umher, fragten auf Spenglisch herum bis wir wieder vor der kleinen Hütte standen, wo wir schon gestern den Jeep ins Tal gebucht hatten. Nur standen wir jetzt auf der anderen Seite. Es hingen acht Schilder für Kaffeeplantagen da und dann wurden meine Augen magisch von dem einzigen Kakao-Tourenschild angezogen. Kakao! Ich liebe Kakao und trinke gar keinen Kaffee. Na das war ja perfekt und Eric wusste gleich: es war entschieden. Lustigerweise hatten wir uns gegen die teure Mountainbike-Tour entschieden und zahlten nun genauso viel, sage und schreibe 10x so viel für die Kakao-Tour als für eine Kaffeeplantage. Warum? Wir waren gerade die einzigen, die das buchten und es war 3x so weit entfernt wie die Kaffeeplantagen. Aber wenn wir auf Weltreise in unserem Sabbatjahr eins gelernt hatten, dann, dass wir die Dinge bereuten, die wir nicht gemacht hatten wie der Flug in Kanada mit dem Wasserflugzeug. Ja, alles kostet Geld, aber wir wollen ja vom Land was sehen, was erleben, was lernen. Also auf ging es im orangefarbenen Jeep mit Gonzalo, der uns das Radio aufdrehte. Hallo Urlaubsfeeling!
Es rumpelte und huckelte, aber an der frischen Luft störte das meinen Magen nicht :) Die Fahrt dauerte auch nicht wie angekündigt 1,5h sondern ca. Nur die Hälfte und wir genossen die Aussicht durch Dörfer, vorbei an Fincas, Bananenplantagen, einer bunten Schule usw.
An der Plantage Finca Evelyza wurden wir schon freudig erwartet. Der Name ist eine Kombination der beiden Vornamen der Töchter des Besitzers. Süß. Die Tour war zwar auf Englisch gebucht, aber natürlich versuchten wir Spanisch zu antworten, worüber man freudig überrascht war. Luis war unser erster Guide und erzählte uns, dass der Besitzer Mario aus einer "Kakao-Familie" stamme und sein Wissen aus dem Süden mitgebracht habe. Hier auf 1.400m sei es eigentlich zu hoch um Kakao anzubauen (aber ideal für Kaffee), aber er beschnitt und kreuzte die Pflänzchen und schuf so drei Sorten. Weltweit spricht man von drei Hauptsorten. Hier in Südamerika, dann in Afrika und Trinidad. Wir waren gerade zu einer Art "Frühling" hier (obwohl es diese Jahreszeit hier nicht gibt, es gibt Regenzeit und weniger Regen :D), d.h.die Pflanzen bekamen gerade lauter neue, rötlich schimmernde Blätter. Blüten, aus denen Kakao wird, wuchsen jeden Monat ganzjährig und so konnte Mario auch jeden Monat auf seinen 4 Hektar ernten. Er baute aber auch noch Kochbananen, Bambus und Avocados an - natürlich die leckeren großen. Wir kosteten das Innere der Kakaobohne, durften drei Stück im Mund lutschen und die Aromen herausschmecken wie Mango, Maracuja und Litschi. Dann wurde ausgespuckt. Hier wohnten kleine Nutrias, die sich über den Biomüll freuten und wir sahen sie sogar aus dem beeindruckenden Bambuswald kommen. Ich könnte jetzt noch weiter ins Detail gehen, aber das würde euch ja nur den Spaß nehmen, die auch mal so eine Tour machen wollen. Luis jedenfalls hakte immer freudig nach, ob wir es "interesting" fanden und wir nickten begeistert. Luis zeigte uns noch die wichtigste Station: den Fermentierungsprozess, ohne den es keine Schokolade geben würde. Diese Schritt hatten den Inkas noch gefehlt; sie hatten früher die Blätter und das Innere der Frucht als eine Art Suppe gekocht und waren damit auch sehr happy gewesen. Schoki hebt eben die Stimmung. Und das Innere wurde damals als Zahlungsmittel genutzt. Was für eine zauberhafte Vorstellung sich in Schokolade vergüten zu lassen...hach.
Jedenfalls übernahm ab hier jetzt Mario. Er war genauso sympathisch, sah wesentlich älter aus als 67, hatte sehr lange in den USA gelebt, weil seine Eltern mit ihm ausgewandert waren, wurde aber nach übermäßigem Alkoholkonsum am Steuer ausgewiesen. Seine Kinder leben mit ihren Familien noch dort und er möchte bald zurück. Er hatte auch im Vietnamkrieg für die USA gekämpft, zeigte uns die langen Narben auf seinem Bauch und wir sollten hinter seinem rechten Ohr fühlen, wo eine Patrone steckte. Er hatte damals Glück gehabt, meinte er. Wahnsinn. Er freute sich für uns zu übersetzen, oft hatten wir aber schon auf das Spanische geantwortet. Wir sahen dann auch warum Luis verschwunden war. Es gab sie doch hierher, die Gruppentouren, denn ein Minibus spuckte die jungen Leute aus, die gestern auch die Wanderung übernommen hatten. Ach ganz ehrlich, uns gefiel die Privattour und wir wurden überaus lieb behandelt, mit Handschlag von allen verabschiedet und nachdem wir selbst eine Kakaokugel hergestellt hatten, tranken wir auf der Terrasse eine heiße Schoki. Diesmal gabs leckereren Käse mit Toast dazu. Als die Töchter bemerkten mit welcher Begeisterung wir die Vögel beobachteten, eilten sie mit Fernglas und Vogel-Poster herbei. Die Kolibris waren hier mal so gar nicht schüchtern und umflogen ständig Erics süßen Kopf. Außerdem fielen uns die Bischofstangare in blau weiß und die gelb blauen Schwarzflügel-Trupiale. Dagegen sieht unser Spatz etwas farblos aus :D
Der Kolibri scheint uns auch auf die Aussicht hinzuweisen. Richtig niedlich diese flinken Tierchen.
Die beiden boten uns selbstgemachte Armbänder an und hatte ich noch zu Beginn gesagt ich brauche nach Asien wirklich keins mehr, konnte ich die schüchtern auf Englisch vorgetragene Kaufanregung von nicht mal 2€ nicht abschlagen und trage nun ein hellblaues mit kitschigem Smiley verziertes Plastikperlenarmband ;) Schoki kauften wir natürlich auch und bekamen noch eine frische Banane. Es war hier wirklich richtig toll gewesen; informativ, freundlich, sympathisch, lecker. Es duftete nach unserer hergestellten Kakaomasse und war ein friedliches Fleckchen Erde, aber irgendwann ist immer Zeit für Abschied und unserer Fahrer schlurfte mit uns den Hügel hoch zurück. Eric half noch den festklemmenden Sitz nach hinten zu rücken, dann winkten wir wegfahrend zurück. Hach, die investierten 100€ hatten sich wirklich gelohnt. Wie so oft hätten wir mit mehr Recherche (die aber Zeit&Nerven raubte) sicher weniger bezahlt. Aber wir werden auch nicht jünger und genießen es auch mal ohne zusammengepferchte (Studenten-)Gruppen ;) Wir machen so einen Mix aus Backpacken und dekadentes Genießen wie mir scheint. Aber wozu gehen wir auch Vollzeit arbeiten, sammeln Überstunden/ haben Nebenjobs? Exakt. Genau hierfür. Ich liebe es.
Die Wolkendecke zog sich zu, weshalb wir anhielten um eine Plane über uns zu ziehen und Eric bat wieder um Musik. Es ist schon angenehm und hilfreich, dass bei den Touren kein Trinkgeld erwartet wird. Wir teilten aber mit einem erfreuten Gonzalo unsere Schinkenbrote und zurück in Salento holten wir uns einen Obstbecher.
Wir liefen zum Hostel, bekamen unsere Rucksäcke, blieben aber noch hier. Ich schrieb am Tisch, Eric sortierte in der Hängematte sitzend Fotos. Das waren so viele Infos, dass wir nicht noch eine Tour machen wollten. Sondern wir chillten noch hier im Hostel und nutzten das Wifi. Schien keinen zu stören und wir trafen nochmal die beiden Münchner. Nach zwei, drei Stunden packten wir zusammen und die beiden zeigten uns wo sie das für hier bekannte Gericht trucha probierten hatten. Dies war eine Art Bananenbrot mit gegrilltem Fisch und Salat. Da wo wir aßen, gab es noch eine Vorsuppe. Naja, wir waren froh es als günstiges Tagesmenü (Menu del día) bestellt zu haben. Hier fehlte es ganz klar an Gewürzen und Raffinesse für unseren Geschmack.
Wir bezahlten und liefen zum Busterminal am Ortseingang. Dort standen wir wartend in der Schlange bis der Bus nach Armenia abfuhr. (1,50€) Dies war die Hauptstadt der Region und wir hatten Glück noch zwei Plätze zu bekommen. Die Fahrt dauerte erschreckend länger als die Hinfahrt und wir schauten immer wieder nervös auf die Uhr, auf Google Maps und aus dem Busfenster. Endlich am Busterminal angekommen, wollten wir es nicht riskieren wieder mit so einer Schnecke zum Flughafen zu gondeln und mit Hilfe einer netten Dame nahmen wir ein Taxi. Ohne Wifi konnten wir nicht über die App buchen, also hatte sie nach dem Festpreis gefragt. Wir wurden immer nervöser, der Flughafen war verdammt weit draußen. Der Fahrer beruhigte uns wir hätten Zeit, die Handyuhr verriet aber was anderes. Wir stürmten rein und erfuhren, dass ich 7€ zahlen müsse, weil ich nicht online eingecheckt hatte. Mal wieder Lehrgeld. Dafür pressten wir vor ihren Augen beide Rucksäcke in Eric Flightcover um so nur ein Gepäckstück zu bezahlen und als wir dann keine 30min vor Abflug unsere Tickets in der Hand hielten, rannten wir den Gang zum kleinen Security-Check. Der dort wartende Beamte fragte belustigt warum wir so rennen, wir hätten doch Zeit und als wir um die Ecke gingen, verstanden wir warum alle so chillten. Hier gab es nur drei kleine Gates nebeneinander und wir hatten sogar noch Zeit uns kurz hinzusetzen. Wir flogen mit Avancia und es war der kürzeste Flug unseres Lebens. Dafür kamen wir nach kurzen Turbulenzen 35min später in wirklich heftigen Regenfällen in Medellin an. Ach herrje, vor uns die Sintflut. Einzeln bekamen wir an der Tür einen Regenschirm, Eric fuhr zu meinem Schrecken einen Bus vor mir ab. Das entschied hier das Bodenpersonal.
Es schüttete aus Kübeln, die Laune sank noch mehr, als es wieder "Taxi! Taxi!" Von allen Seiten rief. Mein vehementes "No Gracias!" Kam nicht gut an. Schön. Denn wir nahmen ein InDrive, allerdings dauerte es ganz schön sich zu finden, was wieder die "Taxi! Taxi!"-Rufer anlockte. Endlich bei unserem 28 jährigen Fahrer German eingestiegen, fluchte der auch schon über den Verkehr, übers Tanken, über die gesperrte Tunnel-Abkürzung. Er konnte kein Wort Englisch und es wurde eine lange Fahrt. Die Maut mussten wir obendrauf zahlen. Aber wir freuten uns einfach nach 1h Fahrt in der Dunkelheit im Regen am Malaika Hostel - ADN Algo de Nosotros angekommen zu sein. Dort wurden wir freundlich begrüßt, das Zimmer war sauber, das Bett bequem, das Gemeinschaftsbad leer. Handtücher und Shampoo sowie Wäscheservice und Wasser zum Auffüllen standen bereit.
Wir waren nicht direkt im Zentrum vom Touristenviertel "El Pablado" abgestiegen, sondern gleich nebenan, weil es hier ruhiger und deutlich preiswerter war. Zwei Einzelbetten im gemischten 6-8er Zimmer in den großen Hostels wie Viajero oder Rango hätten uns zusammen mehr gekostet als hier ein Doppelzimmer. Das kann ein Vorteil vom zu zweit reisen sein, allerdings lernt man in den größeren Hostels, v.a. In gemischten Zimmern mehr Leute kennen.
Wir jedenfalls gingen noch duschen, nutzten das hervorragende Wifi und brauchten so lange, dass ich um Punkt Mitternacht Eric mit meinem "Happy Birthday"-Schrei erschreckte. Es wurde noch gratuliert, ich wünsche ihm, dass er im neuen Lebensjahr mindestens (!) die 9- klettern wird und weitere tolle Reisen mit mir erlebt ;)
So ne Schoki-Tour könnte ich mir auch gut vorstellen 😋