Wir hatten in der Nacht fast gar nichts gehört, alle Geräusche wurden durch die Weite verschluckt. Wir frühstückten in der Sonne und liefen dann einen kleinen Hügel hinauf um uns die Landschaft mal anzuschauen. Ist ganz schön trocken hier. Dann fuhren wir weiter und ich muss leider sagen: die Welt ist eine Müllhalde. Die Highways vor den Grossstädten wie Seattle sind natürlich nicht zu toppen, aber hier lag quasi die gesamte Wüste, an der wir stundenlang vorbeifuhren voller Müll. Überall blitzen Plastikflaschen und anderes in der Sonne auf. Es ist zum Heulen und ich gebe der Menschheit keine Chance mehr. Es gibt einfach zu viele ignorante Idioten, man hält es kaum aus. Wir versuchten deshalb eher den Ausblick in die Ferne zu genießen und wurden auf unserer fünfstündigen Fahrt immer mal auf Grund von Baustellen unterbrochen.
Wir wissen nicht ganz, was die armen Schweine verbrochen haben oder ob es Arbeitsplatzbeschaffungsmassnahmen, aber da steht dann immer pro Seite ein eingemummelter Mann in der Sonne und hält ein Stoppschild und dreht es um, wenn’s so weit ist. Und ein anderer fährt voran und leitet einen die Straße. Etwas sinnlos, aber andere Länder…In Beatty stoppten wir kurz und fuhren nun am Death Valley vorbei. Mit meiner Freundin und unserer Reisegruppe sind wir damals vor 12 Jahren schon dadurch gefahren, ich musste da jetzt also nicht nochmal lang und Eric hatte auch kein großes Interesse daran. Wir durchfuhren die Wüste nur als Mittel zum Zweck auf dem Weg nach Utah. Mir gefiel jedoch der Name des Berges neben unserer Aussicht: Chocolate Mountain und die herumlaufenden Esel waren auch niedlich.
Hinter dem Ort, wo wir die Toiletten und die Tankstelle nutzten, sahen wir die Big Dunes und fuhren eine lange Schotterstraße den Sandhügeln entgegen. Es waren ca.28 Grad. Wir fuhren so weit, wie wir es für sicher hielten und liefen dann ein heisses Stück barfuß bis zum Beginn der Dünen. Eric hatte großen Spaß in den weichen Sand zu hüpfen und dann die Düne wieder hochzukraxeln. Die Hitze und Trockenheit waren jedoch mächtig gewaltig und wir wussten nie, wann die Quad-Fahrer in unsere Richtung gedüst kamen. Wir waren schon bissl neidisch.
Wir liefen zurück und mussten erstmal schauen hinter welchen der Grasbüschel unser Auto parkte. Zu unserem Glück konnten wir auf dem weichen Boden losfahren, aber das Glück wehrte nicht lange und wir steckten fest.
In Kanada hatten wir Vierradantrieb genossen, hier leider nicht.
Ich holte gerade ein Brett aus dem Kofferraum, was wir unter das rechte Vorderrad schieben wollten, da kamen zwei Quadfahrer immer näher. Sie hielten und erkannten sofort was los war, das passiert hier wohl öfter. Zu dritt schoben wir nach Kräften das Auto aus dem Sand und Eric gab Gas und lenkte und damit er ja nicht stehen blieb, riefen wir er solle weiterfahren und ich Glückspilz durfte mit aufs Quad steigen. Berauschend! Ich strahlte wie eine Grinsekatze! Von mir aus hätte er ruhig schneller fahren können, aber ich hatte keinen Helm. Er brachte mich sicher zu Eric, der leider verpasste von mir Strahlekind ein Foto zu machen :( Wir bedankten uns bei Kevin, unserem Retter und fuhren verschwitzt und erleichtert zurück auf den Highway. Keine Umwege mehr.
Wir fuhren am Alien Café bei der Area 51 vorbei und mussten bissl über die Spleens mancher Leute lachen. Wir gaben als Zwischenziel einen Walmart nicht weit vom Highway in Las Vegas an, da wir dringend Vorräte auffüllen mussten. Wir fanden alles, was wir brauchen, so langsam kennen wir uns im Walmart aus. Da Eric die ganze Zeit gefahren ist, wechselten wir jetzt mal und wollten noch bis zum Zion Canyon fahren. Wir sind nun hier im Bundesstaat Nevada.
Nur wenige Meter nach dem Parkplatz sah ich einen verunfallten Wagen am rechten Rand. Warndreiecke scheinen sie hier nicht zu nutzen, aber überall auf der Fahrbahn lagen Scherben. Also blinkte ich links um auszuweichen. Es war einfach aus Reflex. Da gerade kein Gegenverkehr kam, wich der neben mir ebenfalls ein Stück nach links aus, zumindest dachte ich das, doch dann krachte es gewaltig und wir wurden zur Seite gedrückt. Ein weißer Mercedes war wohl zu schnell und hatte uns alle nicht gesehen. Und ich ihn im toten Winkel auch nicht. Eric erklärte mir dann, da ich das so schnell gar nicht wahrnahm, dass wir gegen den verunfallten Wagen geprallt waren. Durch den Crash von hinten links hing der linke Seitenspiegel in Scherben nach unten. Durch den Zusammenprall rechts war die Verkleidung unten an den Türen abgerissen und ganz schön zerkratzt. Die Mercedes-Fahrerin hatte einen Platten. Ich habe gar nicht begriffen, was los war und hatte einen Schock.
Ich habe peinlich hyperventiliert und ließ mich nur schwer von den Feuerwehrmännern beruhigen, die mit mir atmeten. Eric half mir und blieb super souverän, er tauschte sofort Kontaktdaten und machte sehr akribisch Fotos - was die Polizisten nicht taten. Es war alles sehr verwirrend. Ich hätte einfach wie alle anderen weiterfahren sollen, über die Scherben, denn hier fährt scheinbar keiner langsamer/vorsichtiger an einem Unfall vorbei. Hier kracht es wohl andauernd. Wir erfuhren, dass die verunfallte Frau, wegen der ich ausgewichen bin, von einem Mann mit Waffe aus einem benachbarten Fahrzeug bedroht worden ist. Dann passierte der Unfall. Warum sie so demoliert war, wissen wir nicht. Wegen dieser Story (Nevada hat sehr lockere Waffengesetze) waren die ganze Zeit zwei junge Polizisten bei uns. Die waren aber nicht für das Verkehrsdelikt zuständig und wir warteten zwei Stunden auf die unhöflichsten, arrogantesten, inkompetentesten Verkehrspolizisten der Welt. In der blanken Sonne. Freiwillig. Da wir ein Mietauto hatten, wollten wir alles offiziell. Und der Zicke, die uns reingefahren ist, der passte das gar nicht, sie wollte meinen Ausweis. Den gabs aber nur mit Polizeibericht.
Keiner fragte wie es uns ginge, wie wir hier wegkommen oder ob das Auto noch fährt, also nix für ungut, aber wir waren hier Gast auf einem fremdem Kontinent…als wir losfuhren war es schon dunkel und Eric sah, dass ein Stück der Felge rausgebrochen war und der Reifendruck sank rapide.
Wir fuhren keine 5min um die Ecke, dann hatten wir Angst, dass der Reifen platzt. Wir wollten eigentlich 25min bis zur Las Vegas Sixt Rent a car Station fahren und hatten Warnblinker an, aber das konnten wir vergessen. In meiner Verzweiflung klingelte ich an einer Villa. Dort blieb alles dunkel. Dann fuhren wir ein Stück zurück und ich klingelte an einem anderen Haus. Es sah einladend beleuchtet aus mit einem Kürbis vor der Tür. Ein älterer Mann kam, begleitet von seinen zwei kleinen Hunden raus, ich schluchzte los und dann kam alles ins Rollen. Sie riefen bei Sixt an (alle Nummern, die wir hatten, blieben vorher nämlich unbeantwortet), nahmen uns mit rein, wir plauderten, bekamen Wasser und eine selbstgemachte Marmelade von der Huckleberry und dann kam der Abschleppdienst. Der hatte allerdings Anweisung nur das Auto ohne alles mitzunehmen. Und wir hatten da unser komplettes Zeug drin! Unser unfreiwilliger Gastgeber Fred bot uns an alles in seine Garage zu bringen, denn eine schnelle Entscheidung musste her. Seine Frau Sue brachte uns Tüten für den Kleinkram, dann fuhr unser Auto weg. Gemeinsam riefen wir einen Uberfahrer, das ist hier üblich und so eine Art Privattaxi. Der brachte uns für $35 zu Sixt am Flughafen und half uns beim Erklären.
Dort erfuhren wir aber, dass wir erst am nächsten Morgen ein Auto bekommen würden. Wir hatten Glück, dass eine Deutsche aus Heilbronn gerade bei Sixt Dienst hatte und uns versprach alles zu tun, damit wir morgen früh wieder einen Toyota RAV 4 bekämen. Wir konnten das unserem Fahrer Ethan noch zurufen, er war schon am Gehen, hatte noch einen Kunden, dann holte er uns aber wieder ab und fuhr uns kostenlos zurück zum Haus. Dort schilderten wir Fred die Situation und baten frei heraus über Nacht bleiben zu dürfen. Was hatte er auch für eine Wahl? Bei so lieb schauenden, verzweifelten, gestrandeten Deutschen. Wir hatten ja alles dabei und schliefen deshalb in seiner Garage auf unseren Matten in unseren Schlafsäcken. Zum Glück gab es auch eine herrliche, heiße Dusche und wir riefen noch fix zu Hause an. Natürlich war die Familie in Sorge und nicht besonders begeistert. Der Rechtsschutz war schon informiert. Denn, nun ja, so ehrlich müssen wir sein, wir fürchten etwas zu sehr gespart zu haben. Eric ist als Fahrer eingetragen, aber ich saß am Steuer. Sagt nix. Wir wissen, das war naiv. Wir werden sehen, was wir tun können.
Es wurde eine kurze 6h Nacht. Ethan, unser Fahrer, holte uns eine halbe Stunde zu früh ab, aber wir wollen nicht meckern. Er schrieb, da lagen wir noch im Schlafsack. So erlebten wir allerdings mitten auf dem Las Vegas Highway einen Sonnenaufgang in strahlenden Farben und er wollte wieder kein Geld für die Fahrt. Er war mal eine Zeit in Deutschland und hatte so gute Erinnerung daran, dass er uns den Freundschaftsdienst erwies. Er wartete bis sicher war, dass wir ein Auto bekämen. Und siehe da, ein weißer RAV 4 stand kurz nach sieben für uns bereit. Man erklärte uns, dass die Versicherungen sich jetzt erstmal um alles kümmern und sich bei aufkommenden Fragen melden. Wir befürchten, dass sie die mit Sicherheit haben werden…Egal welcher Stand dann herrschen wird, wir dürfen auf jeden Fall wie geplant am 28. das Land verlassen. Immerhin.
Mit dem sauberen, unversehrten Mietwagen fuhr uns Eric zurück zu Fred & Sue, wir packten das Auto voll, füllten unser Wasser auf und bedankten uns überschwänglich. Wir hinterließen unsere Kontaktdaten, weil Fred gern Kontakt halten und unsere Reise verfolgen möchte. Und lachten, dass sie ihren Nachbarn stolz vom kleinen internationalen Überfallkommando berichten können, da wir IHR Haus gewählt hatten ;) Auf ihre Empfehlung hin frühstückten wir um die Ecke bei The Crecked Eggs, wir waren völlig ausgehungert. Ich bekam nochmal meine Pancakes, übergoss sie mit Ahornsirup und hatte zwei Spiegeleier und Bacon dazu. Eric, mein Held, brauchte erstmal Koffein und hatte den Big Bad Wolf-Teller.
Dann fuhren wir schnell raus aus diesem Unheilort, durchfuhren ein kleines Stück von Arizona, sahen unglaublich große Flächen mit Solarzellen und staunten über die rötlichen Felsen in Utah. Also wenn ich wir sage, meine ich Eric. Denn ich habe gerade noch etwas zu großen Respekt vorm Fahren und starke Kopfschmerzen.
Auch das Tanken ist hier wieder billiger und wir fuhren erstmal zum Visitor Centre des Zion Nationalparks. Also da hatten wir auch schon freundlichere Begegnungen…irgendwie sind die nicht wirklich auf internationale Gäste eingestellt. Wir sind auch schon wieder eine Stunde in der Zeit vorgehüpft. Man gewöhnt sich an alles. Wir liefen dann zum Campingplatz und da konnte man uns auch nicht weiterhelfen, also winkten wir dankend ab.
Damit wir schonmal eintauchen und auf andere Gedanken kommen, nahmen wir das kostenlose Shuttle und fuhren zur Haltestelle Zion Lodge. Von da aus liefen wir einen Rundweg zu den drei Emerald Pools. Wir begannen am Lower, liefen dann zum Middle und zum Schluss zum Upper Pool, also von unten nach oben. Die Natur und die rötlichen Farben vor dem blauen Himmel faszinierten uns.
Auf dem Rückweg konnte ich allerdings die Gedanken an den Unfall und die möglichen Kosten und Scherereien nicht ganz abstellen. Positiv abgelenkt wurde ich durch eine achtköpfige Rehfamilie, die fröhlich auf der Wiese graste. Im Bus versuchte mich Eric auch abzulenken indem er mich auf lauter tolle Aussichten hinwies und dann fuhren wir auch schon raus und suchten einen Platz für die Nacht. Wir wollten eine Straße einen kleinen Hügel hinauffahren, aber dort war wegen der Red Bull Rampage eine Security-Lady postiert. Sie half uns allerdings bei Google Maps den Platz zu finden, den wir auf der Herfahrt gesehen hatten, der war nur wenige hundert Meter weiter. Es ging eine kleine Schotterstraße hinauf, einzelne Camper standen schon da, aber wir hatten ausreichend Platz für uns. Wir kochten, aßen, schauten Netflix und schliefen unter der dem weiten Sternenhimmel Utahs.
Oh nein, arme Mausi!
Gut, dass nix weiter passiert ist. Alle Daumen, dass die Versicherung zahlt!
Eric was für ein Sprung in den Dünen.👍 Olympia wartet auf dich 🏃♂️
Die roten Felsen sind der Hammer. Aber wo ist der Kürbis? 🎃