Was waren wir glücklich.
Der Wecker war auf um acht gestellt, aber halb acht war ich putzmunter. Es ist ja auch ein wenig ungewöhnlich in einem fremden Haus aufzuwachen. Von Carole hatten wir uns gestern schon verabschiedet, doch Kurt trafen wir in der Küche an und schon entspann sich ein Gespräch, wie am Abend zuvor. Als kenne man sich schon ewig. Als Eric unser Müsli aus dem Auto holte, erntete er einen so witzig amüsierten missbilligenden Blick, dass wir lachen mussten. Kurt stand sofort auf, holte viel leckerere Cornflakes aus dem Schrank, stellte Eier und Toast hin. So mäßig: ihr müsst hier nicht hungern und bat uns ausreichend zu essen (obwohl er gar nicht frühstückte). Wir quatschten fast zwei Stunden bei einer Tasse Tee, er wimmelte auch freundlich seinen Sohn am Telefon ab, weil er ja Gäste hatte, zeigte uns den Garten mit Pool und Eric durfte, nein sollte, Limetten für uns pflücken :)
So gut hat unser Wasser hier noch nie geschmeckt!
Mit Kurts Hilfe hatten wir spontan zwei Tickets für die Universal Studios in L.A.gebucht, denn da gabs eine Harry Potter Welt, wie ich heute früh bei Google herausgefunden hatte. Dementsprechend wurden wir hibbelig, aber es fiel schwer sich zu verabschieden. Ganz beiläufig hatten wir nämlich erfahren, dass ihr dritter und ältester Sohn vor Jahren tödlich verunglückt ist und nun verstanden wir noch mehr, dass er uns gestern Abend so dankbar in seiner Sorge gewesen ist. Wir haben die Familie noch mehr ins Herz geschlossen und hoffen sehr, sie mal in Dresden begrüßen zu dürfen. Ich möchte es an dieser Stelle mal weitergeben, da auch ich immer auf einen Abschiedskuss bestehe und wir hörten, wie sie sich gegenseitig versicherten, wie lieb sie sich haben. Wir wissen nie, wann es die letzten Worte, die letzten Gesten sind und sollten alle darauf achten, dass es die richtigen wären, sollte es so sein. Diese Momente kommen nie zurück…und vielleicht ist manch ein Streit unvermeidbar, aber die gemeinsame Zeit ist viel zu kostbar…
Kurz vor 10 war es aber so weit. Der Abschied war rührend. Wir bekamen eine Umarmung, es wurden Adressen ausgetauscht, wir ließen unseren letzten Schluck Öl und unseren Nationalparkpass da und es wurde lange gewinkt, dann schlängelte sich Eric mutig auf die meist sechsspurigen Highways nach Los Angeles (in eine Fahrtrichtung!). Ich habe einen mini Knacks beim Unfall abbekommen. Mir rutschte jedes Mal das Herz in die Hose und es flackerte nervös im Bauch, wenn ein Auto zu nah kam. Die fahren alle wie Sch***, absolut wirr, rücksichtslos und unverantwortlich.
Ich war so nervös und angespannt, dass ich einfach irgendwann die Hände vor die Augen hielt, damit ich nicht auch noch Eric nervös machte.
Nach anderthalb Stunden aufreibender Fahrt mussten wir trotz je $114 Tickets nochmal $30 Parkgebühr für den am weitesten entfernten bezahlen; unglaublich, aber Harry Potter konnten wir einfach beide nicht widerstehen. Nun hatten wir doch noch ein unverhofftes, teures Highlight. Gleich am Eingang bekam Eric seine geliebte Zimtrolle und wir mussten erstmal ewig weit an vielen blinkenden Souvenirshops vorbei.
Und dann war er da.
Der Eingang zu Hogsmeade mit dem Hogwartsexpress und all den kleinen Läden. Es gab Schokofrösche, wirklich liebevolle Schaufensterdekorationen, z.B. mit einer kleinen Alraune oder dem fressenden Buch. Es gab Butterbier, eine kleine Show in Mr.Olivanders Zauberstab-Laden, eine Achterbahnfahrt im Hippogreif, vorbei an Seidenschnabel, die maulende Myrte auf der Toilette und es ging ins Schloss Hogwarts hinein. Wir durchliefen Klassensäle, vorbei an der dicken Dame und durchflogen eine animierte Fahrt, eine Art Achterbahn übers Quidditchfeld, den See, über die Dächer von Hogwarts, vorbei an den Spinnen, wir sahen Hagrids Hütte und waren froh, dass das Frühstück drin geblieben ist. Trotzdem kamen wir aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Wir waren wirklich hier. In Hogwarts :D
Und weil wir schon den Eintritt bezahlt hatten, machten wir noch eine ähnliche Fahrt bei den Minions mit und sahen uns eine Show an, bei der anschaulich und witzig die Special Effects in den Filmen erklärt wurden. Ich traf auch eine Figur aus Madagaskar und war hin und weg!
Bei all dem Mist, den man hier essen konnte, freuten wir uns über ein französisches Bistro und einen riesigen Salat. Das musste sein. Die Zeit rannte und im Sonnenuntergang fuhren wir zum Santa Monica Beach. Dort war es erlaubt nachts kostenlos zu stehen, aber zu unserer kleinen Enttäuschung war das Meer doch ein Stück entfernt. Wir schauten allerdings direkt auf das leuchtende Riesenrad am Santa Monica Pier, mit welchem Kristin und ich vor 12 Jahren eine Runde gedreht hatten.
Wir räumten schonmal alle Fächer im Auto leer, verstauten Kleinkram, packten die Rucksäcke. Denn morgen geben wir das Auto ab.
Bis auf eine Laterne, die quasi direkt ins Auto schien, weshalb wir uns hinter der Decke verstecken mussten und ein paar singenden Obdachlosen, war die Nacht in der Ocean Avenue mitten in LA erstaunlich okay. Früh war es natürlich witzig zu frühstücken und zu packen, wo andere joggten oder bei einem Morgenkaffee den Hund ausführten, aber sei’s drum. Uns kannte hier ja niemand.
Um sieben begannen wir alles zusammenzurollen und zu falten, einzupacken, zu quetschen, Vorräte aufzubrauchen, den letzten Müll zu entsorgen und nach anderthalb Stunden waren wir so weit Richtung Flughafen zu fahren. Wir stoppten kurz am Strand von Santa Monica, damit Eric wenigstens mal seine Füße hier in den Sand stellen konnte ;)
Und dann begann die Odyssee am Flughafen einen Parkplatz zu finden. Wir fuhren drei Runden mitten durch die Irren. Jeder fuhr hier wie er wollte, hupte, drängelte…und ich hielt die Luft an. Wir schafften es den kleinsten Tarif für $7 zu bekommen. Es klappte auch das Gepäck zu bezahlen und aufzugeben.
Allerdings mussten wir uns nun nach gut anderthalb Monaten von unserem Anti-Bärenspray trennen. Zu explosiv für den Frachtraum. Dazu später mehr.
Wir hatten auch zufällig gelesen, dass Costa Rica bei der Einreise einen Nachweis der Ausreise verlangt, aber gedacht, dass sie den erst dort sehen wollen. Wir wollten in Ruhe bei der stundenlangen Zwischenlandung buchen, aber sie wollten den Nachweis jetzt schon sehen. Also verkrümelten wir uns kurz in eine Ecke und buchten fix irgendein Shuttle. Dann diskutierten wir ewig, dass es kein Rückflug sei, sondern eine Weiterfahrt mit dem Shuttle. Gott, stellten die sich alle wieder an…aber irgendwann hatten wir die Bordkarten in der Hand und konnten die schweren Rucksäcke hier lassen.
Dann rannten wir zurück zum Parkdeck, denn wir mussten das Auto am gefühlt anderen Ende der Stadt abgeben. Und Eric hatte Angst, dass wir drauf zahlen, wenn wir zu spät kommen. Das Problem war nur: wir hatten noch das ganze Zeug im Auto. Das Brett vom Bett, die Tüte mit Pfannen, Teelicht und Co., die Bücher, Decken, Kissen und Campingstühle. Ein Thrift Store lag leider nicht auf dem Weg. Wir hätten es natürlich gern weiterverkauft, aber jetzt galt es nur noch das loszuwerden. Denn das wir SO lange am Flughafen brauchen würden, hätten wir nicht gedacht. Kurz vor der Abgabestation sahen wir eine Baustelle, dort stellten wir fix unser Brett hinzu. Eine Straße weiter luden wir die Tasche mit den Kochuntensilien ab, in der Hoffnung, dass eine/r der vielen Obdachlosen noch Freude daran haben wird. An einer Bushaltestelle stellten wir die Tüte mit diversen Sachen und den Büchern ab und bei Sixt erklärten wir dann, dass wir noch je zwei Stühle, Decken und Kissen von Walmart im Auto hatten und fragten ob sie sich darum kümmern könnten.
Die junge Angestellte bedankte sich, dass wir all das spenden, weil hier sehr viele Obdachlose leben. Aber sie selbst würde vielleicht die Stühle nehmen und wir gleich: Jaja, na klar! Sie wird ja auch nicht die Welt verdienen.
Wir sind also heute unsere Alltagsschätze der letzten zwei Monate im Wert von $150 losgeworden, nur das Dino Plastik-Geschirr haben wir (noch) behalten. Aber das hatten wir gewusst. Im Rucksack war leider kein Platz. Es schmerzte, aber nur ein wenig angesichts des Elends, was wir in vielen Ecken gesehen hatten.
Dann googelten wir und konnten direkt vor der Nase einen Bus zum Walk of Fame nehmen. Ganz schön ranzige Gegend, aber ein paar Schnappschüsse sind entstanden. Und ein Blick auf das bekannte Hollywood Zeichen war auch dabei. Seid nicht enttäuscht, dass wir nicht so viele Fotos gemacht haben und nicht alle bekannten Plätze besucht haben. Bzw., dass wir nur die vorhersehbaren aufgesucht haben. Auch hier bin ich vor 12 Jahren schon gewesen und Städte sind zuweilen echt anstrengend. Wir mussten auch die Zeit bis zum Abflug im Auge behalten. Das Getty Museum ist sicher ansprechender :)
Wir liefen ein Stück, dann stiegen wir in einen anderen Bus und fuhren eine halbstündige Strecke zum Rodeo Drive im berühmten Stadtteil Beverly Hills. Eric war entsetzt, richtig schockiert von dem zur Schau gestellten Prunk und Reichtum. Und als wir dann eine junge Frau neben uns sahen, die -wirklich wie im Film- all ihre Einkaufstüten ins Auto laden ließ und von ihrem Chauffeur im glänzenden Maybach weggefahren wurde, da waren wir beide gleichermaßen sprachlos. Und wisst ihr was? In dem Moment waren wir so richtig glücklich, normal in unseren Outdoor-Sport-Klamotten :)
Von hier aus fuhren wir weiter durch die Straßen LAs und mir gefielen die vielen bemalten Wände der Läden. Nur sehen die aus dem Bus fotografierten Graffitis einfach nicht gut aus. Wir fuhren nochmal gut anderthalb Stunden zum Flughafen und die letzte Busfahrerin war die coolste. Aber überhaupt. Es funktionierte wieder nur mit Bargeld, aber wir hatten nur noch bissl über einen Dollar und wurden von allen durchgewunken und durften einfach so mitfahren. Nur kurz vorm Flughafen selbst hätte es zusammen $8 gekostet, da liefen wir lieber die 25min.
Wir hatten noch immer das Bärenspray und wussten nicht so richtig ob wir das einfach wegschmeißen durften (echt schade drum) und fragten ein paar Mädels von American Airlines. Die waren ja völlig geschockt über unsere Wanderungen und meinten sie hätten als Stadt-Mädels schon Angst vor Mücken. Aha. Immerhin entsorgten sie es. Der Security-Check ging super schnell und endlich konnten wir was essen. Natürlich war es am Flughafen teuer, aber erstaunlich lecker und der Aperol hatte es heftig in sich. Vor allem da wir hier bis auf mal ein paar Radler nie was getrunken haben. So hatte ich dann auch den Mut, als am Gate ein Handy allein herumlag, laut in die Menge zu rufen, naja eher zu schreien, ob wer sein Handy vermisst. Eric war das peinlich ;) Bzw.war er fassungslos, aber hey, ich wäre auch todtraurig, wenn ich meins verlieren würde. Wir wissen leider nicht ob es zurückgegeben werden konnte.
Im Sonnenuntergang starteten wir und da der Flug nicht voll besetzt war, konnte ich mich über zwei Sitze entrollen und auf Erics Schoß einschlafen. Der Herr der Stunde schaute Serie. Wir waren froh, dass der Flug nicht gecancelt wurde, wie angedroht. Wir durchflogen ein Gewitter und kamen im Starkregen an, aber wir kamen an :) Und sind zwei Stunden in die Zukunft gereist. Wir hatten jetzt knapp 8h vor uns und mussten die Nacht auf den Sitzen des Flughafens rumkriegen. Aber hey, eine Nacht Unterkunft gespart ;)
Was für eine tolle Begegnung mit so lieben Leuten! Und bei Harry Potter war ich natürlich besonders neidisch :D
Was für aufregende, unvergessliche, zwei Tage 😍