Da wir jetzt nicht mehr viel auf der Liste hatten, waren wir früh fast noch tiefenenstpannter als sonst. Wir gingen nacheinander in die Wellblech-Aussendusche. Und ich sag’s euch. Es war ein Traum. Die Dusche hatte einen super Druck und war richtig schön warm und durch eine Lücke in Augenhöhe konnte man während des Duschens in die Wüste schauen. Das war ein Erlebnis! Aiden hatte auch Humor. Nach der Bedienungsanleitung stand da wörtlich: „Und nun genieße nackt eine Dusche in der Wüste.“ Gerne doch. In der Komposttoilette hing eine Lichterkette und auch eine Anleitung, wo das Braune und das Gelbe hinmuss und darunter war humorvoll geschrieben: „Super, alles erledigt? Du hast deine Kacke in der Wüste entsorgt. Willkommen.“
Eine Aussenküche gab es auch, sodass wir im Sonnenschein „richtig“ abwaschen konnten; danach musste man den Eimer unterm Waschbecken in ein graues Loch entleeren. Ich ließ dann noch meine Haare in der Sonne trocknen, Eric lernte weiter Spanisch und dann fuhren wir uns Informationen in Twentynine Palms holen.
Wir bekamen eine Karte für den Joshua Tree Nationalpark und ich versuchte mich die ganze Zeit zu erinnern wo wir vor 12 Jahren gehalten hatten, aber keine Chance, wir fuhren einfach die Hauptstraße ab und hielten immer mal an. Es lagen überall Steintürmchen und es standen überall Joshua Trees. Wir sahen auch lauter kleine flinke Eidechsen in der Sonne. Damit wir mal wieder bisschen mehr Bewegung bekamen, liefen wir den Barker Dam Trail. Die Beschilderung war jedoch wieder so mies, dass wir irgendwann mit Blick aufs Handy feststellten, dass wir in einem trockenen Flussbett liefen und völlig vom Weg abgekommen sind. Wir hatten allerdings genug Wasser dabei und folgten der Handyspur. Dann halfen wir auch noch anderen weiter den Damm zu finden, der allerdings kein Wasser beinhaltete. Das Rumkraxeln war recht witzig und brachte uns immerhin fast 8,5km.
Den Skull Rock, der namensgebend wie ein Totenschädel aussehen soll, schauten wir uns nur schnell an, da es tatsächlich eine Schlange fürs Erinnerungsfoto gab ;)
Spannender fanden wir da die frei zugänglichen Felsmalereien, die Mysterien der Wüste, die von Native Americains an Essens-und Wasserstellen hinterlassen worden sein sollen. Liebe Gaby, ich musste sofort an dich denken! Du hättest das sicher besser gewürdigt und verstanden :)
Wir fuhren so, dass wir trotz fixem Knabberzeug-Einkauf noch im Hellen ankamen. Das Sonnenuntergangsyoga von unseren Campmitbewohnerinnen hatte ich zwar knapp verpasst, aber wir hatten schon per SMS Bescheid gegeben, dass wir uns über Gesellschaft am Lagerfeuer freuen würden. Wir aßen erstmal fix Nudeln und dann schichteten wir unsere letzten Holzscheite in der Mitte des Platzes, am Gemeinschaftsplatz auf und Aiden brachte Spiritus. Wir lernten alle derzeitigen Campbewohner kennen. Zwei ältere Brüder, die herumreisten. Und vier Mädels, die jeweils mit einem Hund im Van durchs Land zogen und eben Aiden, der Besitzer des Platzes. Die meisten hatten Homeoffice-Verträge. Erics Kitsch-Albtraum wurde war: jmd holte am Feuer die Gitarre raus. Ich war absolut in Urlaubsstimmung; wir sind eben verschieden ;) Aleesha King sang uns drei ihrer eigenen Lieder vor, morgen tritt sie hier im Ort auf, aber da werden wir schon weg sein. So richtig rausrücken tat niemand mit der Sprache wie das denn mit dem dauerhaften Leben im Van für mehrere Jahre funktionierte und mir hat’s geholfen. Dieses scheinbar freie Leben hat für mich an Reiz verloren, denn sie haben genauso ihre Alltagssorgen. Sie brauchen Rücklagen, wenn etwas kaputt geht, einen sicheren Stellplatz in der Nacht, müssen Rechnungen bezahlen, Orte finden, wo sie guten Internetempfang haben und es hörte sich recht einsam an. Schnuckelig ausgebaut war auch keiner von den Vans hier. Es leben wohl 5 Millionen so in den USA. Wir fanden auch ein wenig schade, dass wir so wenig in die Gespräche einbezogen worden sind und sich kaum jmd Mühe gab, dass wir uns gegenseitig trotz unterschiedlicher Akzente gut verstehen. Aber sei’s drum. Die Brüder sorgten noch für Holznachschub, nach und nach gingen alle ins Bett und wir dann als letzte. Es wird eben langsam Zeit das Land zu verlassen.
Am nächsten Morgen genossen wir beide nacheinander nochmal die Dusche, ließen ein Handtuch für die Hunde und unsere offene Bodylotion für die Mädels da (die ging nicht mehr zu), entsorgten unseren Müll und fuhren ins Freiluft-Museum in der Wüste des Künstlers Noah Purifoy. Nun ja. Es stellte sich uns doch eindringlich die Frage: Ist das Kunst? Oder kann das weg? Also ich habe mich noch nie für einen Kunstbanausen gehalten, aber hierfür fehlte mir und auch Eric dann wohl doch das Verständnis. Für uns schien es, als wurde hier der gesammelte Müll aneinander geschraubt, geklebt und was weiß ich, aber es stellte eben nichts dar. Es war für uns kein Sinn zu erkennen…
Wir fuhren danach noch zu den Sun Valley Shops und betraten das selbsternannte kleinste Häkelmuseum der Welt, staunten über buntes Allerlei und mussten doch über die ein oder andere Botschaft schmunzeln. Und dann fuhren wir endlich zur Post. Wir probierten hin und her, falteten die Kartons und letztendlich waren wir um $80 ärmer durch ein Paket der Gr.S mit ca.3,5kg. Wir wollten ein paar wenige Souvenirs und überflüssiges Gewicht loswerden. Das hatten wir nun davon. Wird vielleicht nicht das letzte gewesen sein…der Hunger trieb uns dann zu Subway und dort hatten wir langsam so richtig die Schnauze voll. Eric bestellte „the Great Garlic, Nr.8“, ob Akzent hin oder her. Wie daraus „the Mexican, Nr.7“ werden konnte, war uns schleierhaft und wir bestanden auf den günstigeren Preis. Auch die Tankstellen wurden seltsam. Man bezahlte weniger, wenn man Cash zahlt.
Langsam groggy peilten wir einen Stellplatz in den bewaldeten Hügeln vor LA an, im San Bernardino National Forest. Besonders schön war es da nicht und wir fuhren fürs Abendessen auf einen Picknickplatz.
Als wir zurückkamen, sprach uns ein Mann an, ob wir hier Jugendliche gesehen hatten und wir dachten schon die hätten was angestellt und fragten uns wo wir hier gelandet seien. Doch dann verstanden wir auf Nachfrage: sein 20jähriger Sohn war zum Wandern aufgebrochen und wollte schon vor einer Stunde zu Hause sein, doch die letzte Nachricht war, dass er keinen Akku mehr hatte. Also wollte der Mann den Weg, den wir vorhin ein Stück den Hügel hinaufgewandert sind, absuchen.
Ich bot mehrmals an, dass wir ihn begleiten können und auch Eric war nicht wohl bei der Sache. Vor allem als wir erfuhren, dass es hier Bären und Coyoten gibt. Wir schnappten uns die Stirnlampen und das Bärenspray und sprangen mit ins Auto. Nach einigen Fahrminuten, in denen wir alle angestrengt aus den Fenstern gespäht und gelauscht hatten, kamen uns vier Jugendliche -darunter sein Sohn- entgegen. Wir waren alle gleichermaßen erleichtert. Da Eric gerade Tee gekocht hatte, bevor wir mitgefahren sind, boten wir unten allen warmen Tee an. Das Mädchen, welches ohne Jacke fror, nahm dankend eine Tasse; Wasser hatten sie wohl noch. Er schmeckte allerdings eigenartig tomatig und uns fiel ein, dass wir in dem Topf die Nudelsosse gekocht hatten.
Der Vater war so erfreut über unsere Hilfsbereitschaft, dass er uns zum Dank anbot die Gäste seiner Familie zu sein. Er wollte uns auf keinen Fall im Auto wissen und wir fanden den Platz auch doof, deshalb fuhren wir ihm freudig hinterher. Im Örtchen Redlands fuhren wir erstmal an aufwändig beleuchteten, für Halloween dekorierten Häusern entlang und staunten dann nicht schlecht über das Haus unserer Gastgeber, denn es war auch über und über herzlich dekoriert. Und herzlich wurden wir auch empfangen!
Kurts Frau Carole war sehr froh, uns begrüßen zu dürfen und zu wissen, dass ein junges deutsches Paar nicht 15min von ihrem Haus entfernt im Auto schlafen muss. Den Sohn sahen wir nur nochmal kurz. Er durfte sein Bad mit uns teilen und wir bekamen das Zimmer des älteren, der nur noch manchmal zu Besuch war. Carole schwärmte sofort aus, bezog die Betten, legte Handtücher bereit, stellte uns die drei Hunde vor, fragte ob wir hungrig seien und Kurt stellte Bier und Snacks bereit. Ach das war nochmal richtig schön! Wir saßen an der Kücheninsel und quatschten wie mit alten Bekannten. Er war Professor für digitale Animation und sie Zahnärztin. Ich hatte es irgendwie gleich im Gefühl, dass er in der Lehre tätig sei :)
Also wirklich…die beiden sind solche Sonnenscheine! Kurt bedankte sich immer wieder dafür, dass wir einfach so unsere Hilfe angeboten hatten und zu einem Fremden ins Auto gestiegen waren, aber für uns war das keine große Sache. Ganz ehrlich, wir konnten die Sorge nachvollziehen. Außerdem wissen auch wir, dass sich unsere Eltern auch so ihre Sorgen machen. Für uns war es also selbstverständlich und wirklich nicht der Rede wert. Aber für Kurt schon. Und Carole hat eine Leidenschaft zum Dekorieren und zeigte uns stolz ihre Halloweendekoration. Am auffälligsten war der Halloween-Baum (wie ein Weihnachtsbaum) und sie hatte es wohl dieses Jahr geschafft, jeden Monat einen Baum zu schmücken mit verschiedenen Themen (Valentinstag, Ostern, Nationalfeiertag…), einfach genial :)
Sie bat mich sogar Fotos zu posten und das tue ich mit Freude:
Wirklich. Das ist es doch, was Reisen ausmacht. Land UND Leute kennenlernen und sie haben das Bild der Amerikaner für uns definitiv verbessert. Wir lagen dann freudestrahlend in einem richtigen Bett, mit einer richtigen Toilette und einem richtigen Waschbecken gleich nebenan und weil wir aufgefordert worden sind das WLAN in vollen Zügen zu nutzen, luden wir noch Karten und Serien runter.
Oh aber den Toilettenbaum hättet ihr doch erwerben können! Sowas Geschmackvolles wertet doch jeden Vorgarten auf. Oder den Schulhof? 😁
Vom Wüstencamp zur Villa, von eingemummelt bis zur kurzen Hose. Krasse Gegensätze. Die Fahrräder sind doch ganz neckisch und das Toilettenensemble mutet griechisch an 😄 Einen Halloween Baum hab ich auch noch nie gesehen 🫢 Guten Weiterflug euch zwei 😊