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Tag 86+87: Künstlerdorf Sarchí & La Fortuna

Aktualisiert: 14. Nov. 2022

Das Frühstück im Hostel war jetzt mal das richtig klassische, vollständige regionale Gallo Pinto: Reis mit Bohnen, Rührei und Kochbananen (die hatten nämlich im anderen Hostel gefehlt) und es war eine riesige Portion! Wir verließen das Hostel nur ungern, hatten aber schon ein neues gebucht. Auf dem Weg dahin entschieden wir uns wieder für die Mautstrecke, die allerdings um einiges schneller geht und ja. Den Golf von Nicoya, die Orte Tamarindo, Santa Teresa…dies alles im Nordwesten ließen wir aus, denn dies sind teure Surfer-Yogaorte, zu denen wir weit fahren und viel Sprit zahlen müssten. Apropos Sprit. Wir tankten noch rechtzeitig auf ;) und holten an einem Stand eine Mango und Litschis. Sie fragte wann wir die Früchte essen wollten (heute oder morgen) und wählte entsprechend die Reife aus. Sie ließ uns auch probieren und zeigte wie wir die Litschi flutschend öffnen mussten.

Wir fuhren dann einen Umweg zum Künstlerort Sarchí. Bei dem Volksfest in Monteverde hatten wir einen bemalten Ochsenkarren gesehen und hier in Sarchí werden sie in einer Traditionsmanufaktur hergestellt.


Wir wussten erstmal gar nicht so richtig wie das abläuft und waren entsetzt über den riesigen angeschlossenen Souvenirladen. Aber als wir den Verkäufer fragten, ob wir uns denn mal umsehen dürften, legte er gleich los mit einer englischsprachigen Führung und als er erfuhr, dass wir aus Deutschland kamen, blühte er richtig auf. Wieso? Weil der Gründer der Fabrik vor fast 100 Jahren von einem deutschen Freund die Maschinen, die noch heute ohne Strom benutzt werden, aus Deutschland geliefert worden bekam und da stand ich vor einer Maschine aus meiner Lieblingsstadt Leipzig! So geil!

Weil am Wochenende keiner in der Fabrik arbeitet, schmiss er für uns die Maschinen an, die mit einem Wasserrad betrieben werden und wir durften uns die Werkstatt ansehen. Wow! Der Bau eines Ochsenkarren braucht ca. 100h und 5 Holzarten und die Handbemalung ca. 120h danach. Vor der Pandemie hatten sie wohl so drei pro Monat hergestellt und die Kosten belaufen sich im vierstelligen Bereich. Wir sahen einer Malerin beim Bemalen von Gläsern zu und erfuhren, dass traditionsgemäß der Auftraggeber die Grundfarbe wählt (schwarz, blau, orange…) und die Künstler sich von den floralen Mustern der Natur inspirieren lassen. Symmetrie sei ganz wichtig und man mische immer eine warme neben einer kalten Farbe: zuerst wird der helle Farbton aufgetragen, dann mit dem dunkleren schattiert und zum Schluss eine feine Kontur drum herum. Schick! Unsere Mütter wären begeistert! Und Eric bekam einen Costa ricanischen Kaffee zum Probieren. Wir mussten nicht mal Eintritt zahlen, na wo gabs denn sowas?

Das hatte uns beiden richtig gut gefallen und nachdem wir ein paar Litschis genossen hatten, fuhren wir weiter nach La Fortuna. Wir passierten viele kleine Dörfchen, sahen endlich mal wieder blauen Himmel und obwohl mir leicht schlecht war, genossen wir die grünen Aussichten um uns herum. Im Ort selbst landeten wir in einem großen, recht unpersönlichen Hostel, weil nicht mehr viel frei war, hatten aber ein Zimmer für uns. Man bekam ein Freigetränk und wurde somit an die Bar gelockt, aber wir lehnten dankend weitere zahlungspflichtige Getränke ab. Die Barkeeperin, die von einem Urlaub in der Schweiz träumt, war zwar nett, aber ein überheblicher Holländer ging uns mit seinem widerlichen Gehabe derart auf den Sack, dass wir uns in die schlecht ausgestattete Hostelküche zurückzogen. Ich dachte Eric springt ihm an die Gurgel, als der Widerling, der auch die Barkeeperin anmachte, mich ständig bei Erklärungen anfasste. Und Eric ist nicht der eifersüchtige Typ, dafür aber sehr gut erzogen. Ich wies die Barkeeperin Rachel darauf hin, dass er Fotos von ihr mache, aber sie meinte, das gehört zu ihrem Job. Das fanden wir überhaupt nicht! Und schämten uns über den weißen, reichen Europäer, der stolz berichtete in der Waffenlobby zu arbeiten. Bäh.

In der Hostelküche ging nur eine Herdplatte (für Dutzende Gäste) und wir überließen einer dankbaren Israeli, deren drei Kinder warteten, den Vortritt mit Pasta kochen. Sie schätzte uns auf 24/25, wir verjüngen also ;)

Danach zauberten wir in Ruhe Curry-Kartoffeln mit Gemüse und Nuggets und mussten erstmal nach Besteck fragen gehen. So eine schlecht ausgestattete Hostelküche nervt…die wollen doch nur ihre Pizzen verkaufen. Aber unser Essen war sooo viel leckerer!


Am nächsten Morgen bezahlten wir je $5 fürs Frühstück und konnten uns am Buffet bedienen - und meine Lieben: das taten wir reichlich! Das landestypische mit Reis, Bohnen, Rührei und Kochbananen, Pancakes, Toast, Cornflakes und Obst, dazu Orangensaft. Einfach alles :D Am Nebentisch schnappte ich ein paar Worte auf und wusste sofort: da sitzen zwei Sachsen! Sicherheitshalber habe ich nachgefragt und tatsächlich. Felix und Christian kommen aus Annaberg-Buchholz; die Welt ist klein. Es entspann sich ein Gespräch und da es aus Kübeln regnete, hatte auch keiner das Bedürfnis den Tisch zu verlassen. Die beiden erzählten uns es gebe hier keine 5min ein Seil mit dem man in ein Wasserbecken springen konnte. Das klang spannend. Wir vereinbarten uns gleich an ihrem Auto zu treffen und packten alles notwendige ein. Da es nach wie vor in Strömen regnete und wir eben nass waren, sprang ich gleich in meinen Klamotten. Allerdings ließ ich den Jungs den Vortritt, damit ich sicher war, dass das unbedenklich ist ;) Und Gott machte das Spaß! Aber durch den Regen hatte der Fluss einiges an Kraft und war auch kühl, wenn man zu lange drin schwamm. Der Sprung am Seil verlieh aber trotz Regen Dschungelfeeling und war v.a.kostenlos! Keiner hatte Eintritt verlangt.

Zurück am Hostel hörte der Regen so langsam auf, wir zogen trockene Klamotten an, packten um und entschieden uns zu viert am Vulkan Arenal zu wandern. Ein Guide hätte p.P.$100 verlangt und eig kostet auch der Parkeintritt $16. Für den Besuch eines größeren Wasserfalls wollte man $18. Lächerlich, wenn man die kurze Verweildauer bedenkt und die Anzahl an Wasserfällen, die wir schon besucht hatten. Wir fragten ein Pärchen ob wir vor ihrem Ferienhaus parken dürfen, sie meinten na klar und stiefelten einen Privatweg hoch. Wir ignorierten die Absperrbänder und Betreten verboten Schilder. Und soll ich euch mal was sagen? Wir zahlten GAR NIX, keinen Guide, kein Eintritt, keinen Parkplatz. Ein tolles Gefühl!


Der Vulkan ist wohl das letzte Mal im Jahr 2010 ausgebrochen, da er aber noch immer im Inneren aktiv ist (wir sahen auch außen den Dampf aufsteigen), ist das Betreten verboten. Ein bezahlter Guide würde einen jedoch hochführen, bescheuert!

Da aber der starke Regen sehr matschige Wege zur Folge hatte, entschieden wir uns (gezwungenermaßen) für den kleinen Berg daneben mit Aussicht auf den Vulkanhügel. Das ist in seiner Besonderheit ja auch nicht zu verachten. Und ganz ehrlich. Der Aufstieg von nur der Hälfte, also knapp 650 Höhenmeter steil bergauf auf schlammigen, felsigen Wegen reichte völlig.

Wir waren mitten im Dschungel und über über mit Schlamm bespritzt, wie die kleinen Schweinchen und es wurde mit jedem Meter schlimmer. Wir mussten uns fast die ganze Zeit mit den Armen stützen und nach oben drücken, der Weg nahm kein Ende. Nasse Füße hatten wir relativ schnell. Einmal rutschte mein Fuß weg und Eric schob mich mit beiden Händen nach oben. Gott, der Mann hat Reflexe; er hat mich vor schlimmen Verletzungen bewahrt. Danach gabs erstmal eine Handvoll Nüsse und Magnesium, denn meine Kräfte schwanden. Irgendwann krabbelten wir halb auf allen Vieren (und die drei Männer legten Tempo vor!) am Aussichtspunkt oben raus. Zum See selbst ging es aber nochmal steil bergab und ich sammelte lieber meine Kräfte für den Rückweg. Nur Christian ging bis ganz nach unten, hielt mal seine Füße rein und musste dann den Weg wieder nach oben.

Die Zeit saß uns im Nacken, da es jederzeit wieder regnen könnte und den Weg wegzuspülen drohte und es bald dunkel wurde. Allerdings war bergab laufen noch schwieriger, weil man ständig rutschte und jeder Tritt sitzen sollte. Mich quälten noch Krämpfe in den angestrengten Füßen und wir wollten nur noch heil unten ankommen. Um das letzte steile Stück zu vermeiden, bogen wir rechts ab. Schwer zu sagen, ob es direkt ein Fehler war. Es war auf jeden Fall der längere Weg!

Wolltet ihr schon immer mal in der Dämmerung in den Dschungel hineinlaufen und im Dunkeln neben allen möglichen Tieren wandern? Durch Schlamm und Schmodder, begleitet von unzähligen Tiergeräuschen? Schön. Ich nicht. Wir hatten eine Stirnlampe und vier Handys und quälten uns Meter für Meter in der Dunkelheit bergab. Wir wussten nicht wo der Weg endete, aber waren froh, als wir aus dem dichten Wald (nach drei kleinen instabilen Brücken) raus waren und auf einer Weidewiese standen. Laut unserer Offline-Karte war die Straße nicht weit. Es blitzte und blinkte überall. Viele kleine Glühwürmchen streckten uns grüßend ihre Hintern entgegen.

Doch die Freude währte nicht lange, denn wir sahen im Dunkeln einen Ochsen auf uns zurennen und ein Teil seiner Herde folgte ihm. Wir rannten und versteckten uns hinter Bäumen. Meine Knie schlotterten, ich sah durch meine beschlagene Brille nichts. Aber die drei Männer umzingelten mich und ich fühlte mich sicherer. Wir tapsten vorsichtig drum herum und die Erleichterung war groß als wir endlich an einer Straße ankamen. Dann mussten wir noch eine zweite Straße hochlaufen und fuhren fix und fertig, aber happy ins Hostel.

Der Schlamm ließ sich nur schwer abwaschen und wir verstopften beim Säubern unserer Schuhe verrübergehend das Waschbecken. Da man hier selbst Klopapier in den Mülleimer und nicht in die Toilette wirft, hätten wir die zarten Rohre bedenken müssen.


Hungrig liefen wir ein paar Meter in die nächste Soda, die uns empfohlen worden war. Wir warteten anderthalb Stunden auf unser leckeres Essen, aber hatten den Spaß unseres Lebens. Am Eingang hatte ich nämlich einen wiedererkannt, der auch früh mit in die Gumpe gesprungen war und hatte ihn und seinen Kumpel mit an unseren Tisch eingeladen. Haha ich saß schön am Kopfende mit fünf Männern. Der eine kam aus Kanada und der andere aus Holland und wir unterhielten mit unserem lauten Lachen und Sprachenmix das ganze Restaurant. Unsere Unterhaltungen waren urkomisch, jeder erfuhr etwas über das Land des anderen usw. und Eric und ich sorgten mit unserer Putzigkeit für so einige Lacher. Es war ein richtig toller Abend, so gefällt mir Reisen auch :) Und als wir längst nach Ladenschluss als letzte zahlten, winkte uns die Besitzerin nochmal ran und wir bekamen alle einen hausgemachten Schnaps à la Mexikaner und stießen mit ihr auf ihren Feierabend an. Herrlich!

Zurück im Hostel ließen wir den Abend noch langsam ausklingen.

45 Ansichten9 Kommentare

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9 Comments


Jacqueline Kellner
Jacqueline Kellner
Nov 19, 2022

Die bemalten Ochsenkarren gefallen mir auch richtig gut.Eure Matschwanderung hört sich nach nem richtigen Abenteuer an😆

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Jacqueline Kellner
Jacqueline Kellner
Nov 18, 2022

Die Ochsenkarren find ich auch total schön bemalt.eure Matschwanderung hört sich auch sehr abenteuerlich an und sieht auch danach aus😂

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susannjacqueline.kellner
Nov 13, 2022

Also wie ein Weg sieht das ja nicht aus 😂🙈 was für ein abenteuerlicher Tag …

Euer Besuch in der Werkstatt war ja mal ein schönes Highlight. und das ganz ohne Guide und money. Und ja die Muttis sind begeistert 😄

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susannjacqueline.kellner
Nov 14, 2022
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😂😂😂

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rike82
Nov 13, 2022

Das klingt nach einem herrlichen Abend! Und eine adäquate Belohnung nach dem grusligen Spaziergang.

Liebste Grüße - auch von unserem gemeinsamen Freund, dem Chirurgen Dr. K., den ich gerade wieder öfter aufsuche.

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einjahrblau
Nov 14, 2022
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Ach vielen Dank! Grüße zurück. Aber oh je, tu dir das nicht an. Meine Narbe pikst immer noch 🙈 Und ja das war geil und lenkte vom Muskelkater ab :)

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Anke Wolf
Anke Wolf
Nov 13, 2022

Die Ochsen-Karren sind wirklich irre schön! Und die Glühwürmchen-Hintern fand ich zauberhaft. 😆

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einjahrblau
Nov 14, 2022
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Ich auch ;)

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